Hut ab vor Meister Traxler!

Kollege Klinger lobt Hans Taxler

von Joachim Klinger/Bec.

Hut ab vor Meister Traxler!
 
Kollege Klinger lobt.
 
Der Mann ist 89 Jahre alt und noch immer aktiv. Hans Traxler fährt nicht nur seit Jahrzehnten eine reiche Ernte ein, er ist unermüdlich produktiv und kreativ. Da staunt man, vor allem, wenn man wie ich 86 Jahre auf dem Buckel hat. Schön, daß sein Bekanntheitsgrad kulminiert und die öffentliche Anerkennung nicht fehlt. Ich meine dabei weniger die Preise, die wie ein warmer Regen auf ihn niederprasselten. Nein, er ist nun populär.
Die Umschläge der Erich-Kästner-Bücher für Erwachsene z.B. hat er jüngst für den Atrium Verlag neu gestaltet, und sie leuchten einem im Schaufenster jeder guten Buchhandlung entgegen. Einen besseren Nachfolger für Walter Trier in dieser Sparte konnte man wahrlich nicht finden. Wer einem Freund eine Freude machen will, bedient sich an der großen Auswahl von Traxler-Büchern. Immer ist etwas Geeignetes dabei. So bietet der Reclam Verlag 2007 eine von Traxler illustrierte, wunderschöne Luxusausgabe von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ an (als Taschenbuch bei insel), der Kunstmann Verlag hat einen Auswahlband seiner Reihe „Meister der komischen Kunst“ (siehe links) aufgelegt, und u.a. die Verlage Hanser, Reclam, Insel und buntehunde halten eine große Auswahl Traxler-Bücher vor. Ein überwältigendes Angebot, das sich durch antiquarische Funde aus zahlreichen weiteren Verlagen, darunter Zweitausendeins, Diogenes und Heyne nahezu unendlich erweitern läßt.

Ich muß gestehen, daß ich als junger Mann anderen Humoristen den Vorzug gegeben habe. Und zwar beziehe ich mich auf die Neue Frankfurter Schule mit den vielen guten Zeichnern und Reimschmieden. Ich nenne ohne jede Rangfolge Chlodwig Poth, F.W. Bernstein, F.K. Waechter, Robert Gernhardt.
Was für eine Fülle frecher Bilder und Texte! Geradezu obzön mancher Vers und manches skizzenhaft angelegtes Blatt! Verstöße gegen „die guten Sitten”, die Regeln guten Benehmens, die eingefahrenen Umgangsformen. Die Sprache war oft vulgär und ungehobelt, der Zeichenstil gelegentlich stümperhaft und kindisch.

F.W. Bernstein - Foto © Frank Becker
F.W. Bernstein hat seinem Buch „Reimwärts” (Anabas-Verlag Günter Kämpf KG in Gießen, 1981) sinnvollerweise einen Vers von Detlev von Liliencron (1844 – 1909) vorangestellt:
 
 „Entsetzlich, wenn der Reim sich unrein gattet,
 das ist den höchsten Meistern nur gestattet.”
 
 Beispiel von F.W. Bernstein:
 
            „Ist mein Wortschatz geschrumpelt
 voller Sägemehl die Stimm
             und mein Mundwerk das rumpelt
 weil ich Versmacher bin”
 
            (aus „Reimweh”, S.6 in „Reimwärts”)
 
Aus meiner heutigen Sicht muß ich sagen: Gewiß war manches „unfertig” oder sogar mißlungen, aber es gab genügend Meisterstücke, die Bestand haben und sich noch heute sehen oder hören lassen können. Ich erwähne hier nur das Blatt „Eine Straßenbahn namens Sehnsucht“ in Heft 1/1962 der satirischen Zeitschrift „Pardon!“, das nach heftigem Aufbegehren des Volkswartbundes zur Zensur der Doppelseite führte.
 
Im Bereich der Zeichenkunst sagte mir seinerzeit besonders F.K. Waechter zu, ein großer Könner, der jede Form der Grafik beherrschte und in seinem Ausdrucksreichtum überzeugte. Neben Hans Traxler, Loriot, Chlodwig Poth, Kurt Halbritter, Walter Hanel, Trez u.a.m. prägte er ab 1962 das Gesicht des oben erwähnten „Pardon!“ zeichnerisch. Als „Verseschmied” bevorzugte ich den geistreich-witzigen Lyriker Robert Gernhardt, der später mit der Einladung zum Literaturgespräch den „Ritterschlag” von Marcel Reich-Ranicki erhielt. Beide rechne ich heute zu unseren Klassikern in den Bereichen Kunst und Humor.
 
Aber zurück zu Hans Traxler!
 
Sein Stil ist die Einfachheit. Sparsame Linien, die auch einen dekorativen Charakter haben können, gestalten den Aufbau eines Bildes und fügen ohne Schnörkel und Schraffur die Elemente zusammen, die dem Betrachter den Eindruck einer südlichen Landschaft, eines Hafens oder einer mittelalterlichen Stadt vermitteln sollen. Das alles ist lapidar und doch aussagekräftig.
Knapp und zugleich präzise sind Traxlers Texte. Zusammen mit den Bildern, die sie illustrieren, bilden sie eine schöne Einheit. Das zeigt sich beispielhaft an dem „Sommergedicht” mit dem Titel „Süden” (2013).
So wie Robert Gernhardt vor Jahren in einem Zeitungskommentar das „Grundrecht auf Ruhe” eingefordert hat, so nimmt Traxler den Lärm von Motorbooten und anderen Radauschlägern in stillen Buchten des Mittelmeers auf’s Korn. Jede politische Polemik gegen Umweltschädlinge wirkt daneben schwächlich.
 
Mein Favorit unter den jüngeren Veröffentlichungen Traxlers aber ist „Das Schutzengelbuch” (2005 Wilhelm Heyne Verlag, München).
Ich bin ziemlich sicher, daß mehr Menschen an die Existenz von „Schutzengeln” glauben als an die christliche Botschaft. Wer hat nicht schon in seinem Leben das Glück gehabt, in irgendeiner mißlichen Situation noch einmal glimpflich davongekommen zu sein? „Da hast du aber einen Schutzengel gehabt”, sagen Zuhörer deiner Geschichte teilnahmsvoll (und du denkst es auch selbst).
Aber auf den Gedanken zu kommen, daß der Herrgott angesichts sich häufender Unfälle den Entschluß faßte, Schutzengel zu schaffen, muß man erst einmal kommen! Die Geschöpfe Gottes – wir wissen es – haben Mängel und Schwächen. Auch die Schutzengel, denen Gott seinen Atem eingehaucht hat, kommen manchmal „ganz schön aus der Puste”. Noch schlimmer, es gibt unbedarfte Typen unter ihnen. Was für ein Depp war Adolf Hitlers Schutzengel, als er dem „Führer” beim Attentat am 20. Juli 1944 das Leben rettete? Nun er kam wohl nur seinem „Auftrag” nach, und das ziemlich stur.
Andere Engel setzen unzulängliche Mittel bei ihren Rettungsversuchen ein. So der Schutzengel von Jeanne d’Arc, der mit seinem Pinkelstrahl natürlich nicht das Feuer des großen Holzstoßes löschen und so den Flammentod der Jungfrau verhindern kann. Ebenso muß die neckische Geste des Schutzengels von Kaiser Maximilian von Mexiko, mit dem entblößten schlanken Bein die Soldaten des Exekutionskommandos abzulenken, erfolglos bleiben.
 
Köstlich auch die eigenen Erlebnisse Traxlers mit seinen Schutzengeln! Hier wundert man sich weniger, denn Traxler hat bereits viele kuriose Ereignisse aus seinem Leben zum Besten gegeben (z.B. in „Ode an Hemingway”, 1989 im Diogenes Verlag Zürich S.74 – 86).

So traf er in Tarifa / Spanien den (noch) jungen Daniel Keel und:

„Das Treffen hatte zunächst keine Folgen, aber keine 31 Jahre später
erscheint dieses Buch im Verlag des inzwischen gereiften Verlegers.
So geht nichts auf dieser Welt verloren.” (ebenda S.82).
 
Redaktion: Frank Becker