„Das war nur zur Probe...“

Karl Otto Mühl - „Gewitzt mit Hundert“ - Die Aussprüche der Elisabeth F.

von Frank Becker

Titelfoto © Frank Becker
Ein langes Leben
 
Alles ist vergänglich, auch wir.
Das Alter gibt uns Gelegenheit, dabei zuzusehen.
Karl Otto Mühl

Wenn zwei Menschen miteinander im Dialog stehen, die über einen wachen Verstand und Mutterwitz verfügen und wie man so sagt, ein biblisches Alter erreicht haben, lohnt es sich, zuzuhören. Wenn zudem einer von beiden, nämlich Karl Otto Mühl (*1923 in Nürnberg), ein Schriftsteller ist und das Gesagte notiert, kann daraus ein Büchlein werden. So geschehen mit den Aussprüchen seiner Schwiegermutter Elisabeth F. (1911-2018), die geliebt und umsorgt im Haushalt der Familie Mühl ihren Lebensabend verbracht und ihre Kinder und Enkel bis zu ihrem seligen Ende mit Bemerkungen, Einfällen und kleinen Weisheiten überrascht hat. Vieles davon hat Karl Otto Mühl aufgezeichnet und – oft als Zwiegespräch – ergänzt mit einigen eigenen Gedichten zu einer ebenso amüsanten wie berührenden Broschüre gestaltet.

Elisabeth F. erlebte ihr Alter und dessen Beschwerlichkeiten sehr bewußt, ohne zu klagen oder etwas zu verlangen, jedoch mit feiner, hintergründiger Ironie. Das wird in den wenigen Anekdoten deutlich, die wir hier beispielhaft zitieren.


Oma wird die Zeitung in ihr Zimmer gebracht.
„eine interessante Zeitung für eine interessante Frau!“
„Diese Haltung behaltet bitte bei“, sagt Oma.


Heute sagte ich zu Oma: „Alle, denen ich davon erzähle, bewundern deinen Unternehmungsgeist. Weil du an der Nordsee warst.“
„Sie bewundern mich?“
„Ja.“
„Das ist auch angebracht“, sagte sie nach kurzem Überlegen.

 
Vor längerer Zeit hatte Oma mal eine kleine Absence, als sie auf der Eckbank saß. Sie sank zur Seite; ich glaube, Maren fing sie auf. Oma öffnete die Augen und sagte: „Das war nur zur Probe“.
 

„Elisabeth“, sage ich, „eines weißt du nicht, nämlich, daß ich alle deine subversiven Aussprüche im Computer speichere.“
„Mach, was du willst“, antwortet sie, „aber wenn du so etwas drucken läßt, will ich die Tantiemen haben.“
 
„Gewitzt mit Hundert“ – Die Aussprüche der Elisabeth F.
Aufgezeichnet und herausgegeben von Karl Otto Mühl
© 2012 Karl Otto Mühl /  Verlag und Druck HP Nacke
36 Seiten, geheftet, ohne Preisangabe – ISBN: 978-3-942043-82-3