Intime Einblicke

Dieter Schulze – „Das große Buch der Deutschen Volkspolizei“

von Frank Becker

Intime Einblicke
 
Die Geschichte der Deutschen Volkspolizei (VP)
 
Für uns auf der Interzonenautobahn durchreisende „Wessis“ war der Volkspolizist (VoPo) der DDR ein Schreckgespenst. In ihren zweitaktigen Wartburgs oder Ladas lauerten sie hinter zig Gebüschen entlang der löchrigen Betonpiste auf geringste, oft an den Haaren herbeigezogene  Verkehrsübertretungen des Klassenfeindes und hatten oft genug Mühe, den flotten Benziner des Bundesbürgers zum Abkassieren einzuholen. Viel schlimmer als die Geldbußen, die Devisen in die maue Staatskasse der DDR spülten, aber waren die strengen, überheblichen Belehrungen, die man über sich ergehen lassen mußte. Das nämlich kosteten die meisten Volkspolizisten weidlich aus.
Als Grenzorgane lernte man besonders die an die Westgrenze versetzten Sachsen und die grimmigen Einreisekontrolleure am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin unangenehm kennen, die es sichtlich genossen, ihre Macht auszukosten und Reisende zu piesacken. Bessere Erfahrungen konnte man mit denen in Mecklenburg machen – hier zeigte sich eher das friedfertige norddeutsche Naturell.
Als Besucher in der DDR hatte man Kontakt zu den Beamten, auf deren kärglich ausgestatteten Wachstuben man sich an- und abmelden mußte – und konnte den Frust, den sie schoben, schon ein wenig verstehen.
 
Nun fehlt dem „Westler“ natürlich der Einblick ins tägliche Geschäft der Volkspolizei und zu ihrem Verhältnis und Umgang mit der Bevölkerung. Ich unterstelle aber, daß auch in der DDR die Polizei – neben ihrem vorrangigen Auftrag, als dessen Teil das sozialistische System zu schützen – als Ordnungs- und Sicherheitskraft für den Bürger da war. Die Deutsche Volkspolizei wird wohl auch „Freund und Helfer“ gewesen sein und das, mit Blick auf die größere Dichte im Vergleich zur Bevölkerungszahl, sicher auch ein wenig effektiver. Ganz bestimmt haben wie meine Eltern im Westen auch die im Osten ihren Kindern auf die Seele gebunden: „Wenn Du Hilfe brauchst, geh zum Schutzmann an der Ecke“. Den allerdings gibt es schon lange nicht mehr.
Da hilft für ein besseres Verständnis der bereits in zweiter Auflage vorliegende Band „Das große Buch der Deutschen Volkspolizei“ sehr.
 
Zwischen 1945 und 1990 hat die Deutsche Volkspolizei für Ordnung in Ostdeutschland gesorgt: auf der Straße wie auf dem Wasser, auf der Schiene (als Transportpolizei / TraPo) oder an der Feuerspritze, denn auch die Feuerwehr war der streng militärisch organisierten Volkspolizei unterstellt. Dietmar Schulze, früher Volkspolizist und jetzt Kriminalrat i.R. hat eine gut lesbare, informative und reich illustrierte Übersicht mit allem, was man über die Deutsche Volkspolizei (VP) wissen sollte, zusammengestellt: Geschichte, Aufbau, Zusammensetzung, Organisation, Uniformen, Einsatzfelder, Orden und Ehrenzeichen. Vor allem die historische und organisatorische Entwicklung der Volkspolizei ist fesselnde Lektüre, sicher auch für frühere DDR-Bürger. Schließlich war die VP gegenüber dem eigenen Volk sicher kaum weniger verschlossen als gegenüber dem Klassenfeind. Wer künftig beim Thema Deutsche Volkspolizei ernsthaft mitreden möchte, wird auf dieses akribisch recherchierte, reich illustrierte Buch zurückgreifen müssen – eine einzigartige Dokumentation.


Dieter Schulze – „Das große Buch der Deutschen Volkspolizei“
© 2013/2016 BEBUG mbh / edition berolina, 255 Seiten mit zahllosen, auch farbigen Illustrationen, Broschur – ISBN: 9783958410480
14,99 €
Weitere Informationen: www.buchredaktion.de