Thanks For The Memory

Erroll Garner – „Nightconcert“

von Frank Becker

Thanks For The Memory
 
Eine wunderbare Konzert-Ausgrabung
mit Erroll Garner
 
In der Reihe „Nachtconcert“ des Royal Concertgebouw in Amsterdam gastierte am 7. November 1964 der legendäre Jazzpianist Erroll Garner (1921-1977) mit seinen Sidemen Eddie Calhoun am Kontrabaß und Kelly Martin am Schlagzeug, also in der klassischen Trio-Besetzung. Das Haus war mit 2.000 begeisterten Besuchern ausverkauft, und das Publikum erlebte einen einzigartigen Abend, denn Garner bot, was man von ihm erwartete: Pianistische Überraschungen, interpretatorische Eigenwilligkeiten und endlose Abschweifungen bei 13 Titeln aus dem Great American Songbook und drei eigenen Stücke, davon eins wohl eigens für diesen Abend komponiert: „That Amsterdam Swing“.
 
Schon beim Opener, Richard Rodgers „Where Or When“ läßt Garner keinen Zweifel daran, daß er vom Stride bis zum Mainstream sein Metier beherrscht – und es seinen Sidemen nicht immer leicht macht, ihm zu folgen. Nie habe Erroll Garner ein Stück zweimal gleich gespielt heißt es, und das Tempo, das er in seinem oft nicht nur hektisch wirkenden Spiel mit scheinbar unabhängig voneinander agierenden Händen vorlegt, ist halsbrecherisch.
Werner Burckhardt nannte Erroll Garner, der als Autodidakt zwar das Klavierspiel, aber nicht das Notenlesen gelernt hatte, einen listig swingenden Kobold. Und genau so zog Garner an diesem denkwürdigen Abend mit virtuosen Späßen das begeisterte Publikum in seinem Bann. Man kann bei dem Live-Mitschnitt des denkwürdigen Konzerts spüren, wie sehr die kundigen Gäste  sich über die virtuosen Späße Garners amüsieren und nach anfänglichem Rätselraten der gerne ausgedehnten Intros („Was spielt er denn jetzt?“) mit Jubel aufs schließliche Erkennen reagieren. Bei „My Funny Valentine“ dauert es ganze 1:55, bis er das Thema erkennen läßt, er verabschiedet sich aber auch gleich für fast den ganzen Rest des Stücks mit nur kleinen Unterbrechungen wieder in seine nirgends notierten „Spaziergänge“. Diese Garner-typische Methode zieht sich durch das ganze herrliche Album.
 
Die Aufnahmen dieses Konzerts waren rund 50 Jahre lang nicht zugänglich, und nur die Hälfte davon ist zuvor schon einmal veröffentlicht worden. Erroll Garners „Nightconcert“ ist also quasi eine posthume Neuerscheinung, die dem ohnehin riesigen Œuvre seiner Schallplattenaufnahmen eine echte Delikatesse hinzufügt – eine Rarität und mit 80 Minuten Spieldauer ein echtes Bonbon für Jazzfreunde. Ein gut gemachtes Booklet mit vielen seltenen Fotos begleitet die CD.
 
Erroll Garner – „Nightconcert“
© 2018 Mackavenue / Octave Music
Erroll Garner (p) – Eddie Calhoun (b) – Kelly Martin (dr)
 
Titel:
1. Where Or When - 2. Easy To Love - 3. On Green Dolphin Street - 4. Theme From “A New Kind Of Love” (All Yours) (Garner) - 5. Night And Day - 6. Cheek To Cheek - 7. My Funny Valentine - 8. Gypsy In My Soul - 9. That Amsterdam Swing (Garner) - 10. Over The Rainbow - 11. What Is This Thing Called Love - 12. Laura - 13. When Your Lover Has Gone - 14. No More Shadows (Garner) - 15.  'S Wonderful – 16. Thanks For The Memory
Gesamtzeit:  1:19:47
 
Weitere Informationen:  www.mackavenue.com  -  www.errollgarner.com