Ich glaube, das wird ein guter Tag.

Franz Hohler – „Sommergelächter“ - Die Gedichte

von Frank Becker

Sommergelächter

Das Kartenspiel ist aus
das Licht gelöscht
drei Kerzen brennen noch
auf dem Balkon
und spiegeln sich im Wein.

Wir sitzen da
und sprechen über morgen.

Auf der Dachterrasse eines Nachbarhauses
werden Gläser angestoßen
Gitarrentöne sind zu hören
und von Zeit zu Zeit
schwebt eine Seifenblase voller Glück
zu uns herüber
und zerplatzt
an den Tomaten in den Blumenkisten.


Franz Hohler




Blüht, ihr Tulpen!
 
Franz Hohler (*1943) hat, außer als er 33* und als er 60 wurde (ein Jahr lang hat sich der Schweizer Autor und Kabarettist da jeweils von der Bühne und allen anderen beruflichen Verpflichtungen zurückgezogen, um ohne Terminkalender zu leben und später „in dieser Zeit für das Alter zu üben“), nie aufgehört zu schreiben. Erst kürzlich erschien sein neuer Roman „Das Päckchen“ und vor zweieinhalb Jahren der Band mit Kurzerzählungen „Ein Feuer im Garten“. Doch schon vor ein paar Jahren hat er auch begonnen zu bilanzieren. In dem gewaltigen Sammelband „Der Autostopper“ erschienen Ende 2014 die bis dahin publizierten kurzen Erzählungen, mit Reflexionen und Abschieden beschäftigte sich vor anderthalb Jahren der Gedichtband „Alt?“ – und nun legt der Luchterhand Literaturverlag unter dem wunderschön gewählten Titel „Sommergelächter“ eine vorläufige Sammlung seiner Gedichte aus 50 Jahren vor.
 
Franz Hohlers Gedichte zu lesen - die sehr persönlich, auch autobiographisch sind, wohlgemerkt – ist eine Reise durch seine Zeit, doch traf er stets, so wie auch jetzt noch, immer das, was dem Leser seines lyrisch verdichteten individuellen Erlebens auch die Welt der eigenen Gefühle, Gedanken, Reflexionen öffnet. Eine Reise voller Lust am Leben. Zugleich lassen sie den Kosmos seiner Vielsprachigkeit erkennen, die ihm weitere kulturelle Türen öffnet. Das Leben ist ein fortwährendes Abenteuer, das wir täglich erleben und bestehen, besonders im Kleinen, das lehrt uns die bei aller Tiefe und allem Ernst, der auch Tod und Leiden nicht ausläßt, die durchaus vergnügliche Lektüre dieser Sammlung. Intelligent und lebensnah wie seine Bühnenprogramme, seine Erzählungen und seine Wanderungen sind seine Gedichte „Sommergelächter“ ist ein kluges Lesebuch geworden, das man gern auch zur Hand nimmt, um vielleicht selbst ein klein wenig klüger zu werden.
 
Vormittag
 
Ich hole die Äpfel aus dem Keller
ich hole die Briefe aus dem Briefkasten
ich finde einen alten Zettel im Garten
auf dem steht
»Franz und Ursula«.
 
Ich glaube
das wird ein guter Tag.

„Fast fünf Jahrzehnte umspannt Franz Hohlers hier vollständig versammeltes lyrisches Werk. Eine bunte Sammlung aus Naturgedichten, Sprachspielen, „Verlesern“ und lebensklug leichten Gedanken, die vor allem eines immer wieder neu zu erfassen versuchen: dieses kostbare, furchtbar flüchtige, aber auch abgründig komische Wesen der Zeit. In Franz Hohlers Gedichten scheint nicht nur das Voranschreiten der Jahre und Jahrzehnte auf, sondern eine ganze Biographie“, schreibt der Verlag zutreffend im Klappentext. Die Lyrkerin Nora Gomringer, die seine Gedichte als taugliches Mittel gegen den Hader mit der Welt zu schätzen gelernt hat, hat ein Vorwort beigesteuert, das mit den Worten schließt: „Was also meine Welt zusammenhölt? Der Blick, das Wort, die Kunst dieses Dichters.“  
 
*Zwischenhalt
 
Vor kurzem bin ich
33 Jahre alt geworden.
 
bedenkend
was ich hinter mich gebracht
in dieser Zeit
die über tausen Abende z.B.
die ich allein
auf einer Bühne stand
 
hab ich gemerkt
jetzt habe ich genug
und habe dann entschieden
ich nehme mir
ein freies Jahr.
 
(…)
 
Franz Hohler – „Sommergelächter“ - Die Gedichte
Mit einem Nachwort von Nora Gomringer
© 2018 Luchterhand Literaturverlag, 352 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Quellen- und Inhaltsverzeichnis - ISBN: 978-3-630-87584-2
20,- €
Weitere Informationen: https://www.randomhouse.de/