Auf dem Weg zu fundamentalen Irrtümern

Thomas Bauer – „Die Vereindeutigung der Welt“

von Ludwig Lenis

Auf dem Weg zu fundamentalen Irrtümern
 
Wir erleben es täglich und stündlich und das Erschreckende begegnet uns, unausweichbar geworden, auf Schritt und Tritt: Die Welt versinkt im meinungs- und geschmacksinhaltlichen Grau einer nur scheinbar bunten Vielfalt. Die nämlich gibt es durch machtgesteuerte wirtschaftliche und politische Gleichmacherei sowie einen ebenso nach irdischer Macht strebenden religiösen Fundamentalismus immer weniger, wie Thomas Bauer in seiner kleinen Untersuchung zum Verschwinden von tatsächlicher kultureller und meinungsbildender Vielfalt konstatiert. Wir sind in einem Treibsand von Meinungsmonopolen, exzessiver Wahrheits-„Auslegung“ und „alternativer Fakten“ gefangen, wie es scheint – und wir drohen darin zu versinken.
 
„Was haben das Verschwinden von Apfelsorten, das Auftreten von Politikern in Talkshows, religiöser Fundamentalismus und der Kunst- und Musikmarkt miteinander gemeinsam? Überall wird Vielfalt reduziert, Unerwartetes und Unangepaßtes zurückgedrängt. An die Stelle des eigentümlichen Inhalts rückt vermeintliche Authentizität: Nicht mehr das „Was“ zählt, sondern nur noch das „Wie“. Thomas Bauer untersucht diesen fatalen Hang, Bedeutungsvielfalt zu verdrängen und zeigt die Konsequenzen auf, sollten wir diesen fatalen Weg des Verlustes von Vielfalt weiter beschreiten.“ (Zitat Verlagstext)
Bauer stellt vor den Erscheinungsformen parteipolitischen Taktierens und der wachsenden Einflußnahme der Wirtschaft auf die Politik Kernfragen wie: „Sind Kapitalismus und Demokratie überhaupt dauerhaft miteinander vereinbar?“, und er zieht – hier vor allem auf den fundamentalistischen Islam bezogen - ein Fazit, das ebenso deutlich ist wie die Untersuchung dazu: „Religiöser Fundamentalismus und religiöse Gleichgültigkeit hängen (…) eng miteinander zusammen. (…) So machen Muslime heute eher durch die Zerstörung von Kulturgütern als durch die Hervorbringung von beeindruckender religiöser Literatur und Kunst auf sich aufmerksam, wie dies tausend Jahre lang der Fall gewesen war.“
 
Nicht ohne eine gewisse Ironie, jedoch stets mit messerscharfem, sachlichem Blick betrachtet Bauer die gesellschaftlichen Phänomene zunehmender religiöser Intoleranz, der Kästchenbildung, eines modernen Authentizitätswahns, des Versinkens von Kunst und Musik in die Bedeutungslosigkeit.
Eins jedoch steht nach der Lektüre dieses beachtenswerten philosophischen Exkurses von Thomas Bauer für mich fest: Das Wort „Ambiguität“ kann und möchte ich nie wieder hören.
 
Thomas Bauer – „Die Vereindeutigung der Welt“
Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. [Was bedeutet das alles?]
© 2018, Originalausgabe 8. Auflage, 104 Seiten, gebunden - ISBN: 978-3-15-019492-8
12,- € (Broschur 6,- €)
Weitere Informationen: www.reclam.de