Ein großer Erzähler

Eduard von Keyserling – „Landpartie“

von Robert Sernatini

Ein großer Erzähler
 
Eduard von Keyserling
100. Todestag am 28. September 2018
 

Ihm ist das einerlei, er fragt nicht mehr danach.
Wir aber - sind wir denn so reich an echter Dichtung feinster Art,
daß wir´s uns leisten dürfen, Eduard von Keyserling, von dessen
im tiefsten Sinne adeligem Menschentum auch seine Bücher so
lebendig Zeugnis geben, leichten Herzens zu vergessen!
Korfiz Holm

Naturbeschreibungen, Stimmungen, Porträts, gesellschaftliche Situationen: Eduard von Keyserlings (1855–1918) von erlesenem Stilgefühl geadelte Erzählungen sind sprachliche Schwelgereien.  Er erweist sich ohne je Schwächen zu zeigen als ein Meister überaus sinnlicher Erzählkunst. „Ein begnadeter Impressionist und Stimmungsmagier, und sein Werk gehört zum Stilvollsten, was die deutschsprachige Literatur hervorgebracht hat.“, schreibt der Verlag im Klappentext – und hat damit Recht.
Gebürtig aus kurländischem Adel hat der unvollendete Student der Jurisprudenz, Philosophie und Kunstgeschichte ein recht bewegtes Leben auf großem Fuß geführt, das ihn Mal um Mal nicht nur in finanzielle Bedrängnis brachte. Nach der Relegation von der Universität Dorpat und dem Verschiß bei seinem Corps Curonia folgten ausgedehnte Reisen und 1878 die Infizierung mit der Syphilis. Erste Kurzprosa 1882 und der Debüt-Roman „Fräulein Rosa Herz. Eine Kleinstadtliebe“ 1887 gaben den Weg vor. Er kannte seit seinem Wiener Intermezzo Peter Altenberg und Ludwig Anzengruber. 1895 schloß er sich der Münchner Boheme an, verkehrte mit u.a. Frank Wedekind, Erich Mühsam, Max Halbe, Korfiz Holm und Oskar Maria Graf. Dramen, Romane und Erzählungen erschienen in dichter Folge – immerhin bei S. Fischer. Durch die verwüstenden Folgen der Syphilis erblindend diktierte Keyserling ab 1906 seine Prosa den Schwestern Henriette und Elise, mit denen er in München eine Wohnung teilte. Henriette stirbt 1908, Elise 1919. Bis Keyserlings Tod 1918 übernehmen Schwester Hedwig und der Neffe Otto von Traube deren Arbeit.
 
Zu seinem 100. Todestag würdigt Manesse Eduard von Keyserling mit einem bibliophilen Liebhaberband, in dem erstmals sämtliche Erzählungen vereint sind. Eduard von Keyserling ist wegen seiner kultivierten Sprachgewalt wohl der am häufigsten wiederentdeckte Autor der deutschsprachigen Literatur. In seinem erzählerischen Werk setzte er der Welt von gestern, die wir durch diese Sammlung seiner Erzählungen erfahren können,  ironisch funkelnde Denkmale.
Das Buch ist ein wahrer Schatz, der Stück für Stück in delikaten Abschnitten gehoben werden muß. Wer sich für ein paar Wochen einmal ganz aus der hektischen Gegenwart auf eine Nordseeinsel oder auf eine Alm zurückziehen möchte, braucht zur Begleitung nicht mehr als dieses Buch. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Eduard von Keyserling – „Landpartie“
Gesammelte Erzählungen. Erschienen am 3. September 2018
Herausgegeben und kommentiert von Horst Lauinger
Nachwort von Florian Illies
© 2018 Manesse Verlag, 743 Seiten, gebunden, Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen, mit 4 s/w Abbildungen – ISBN: 978-3-7175-2476-2
28,- € [D] / 28,80 € [A] / 38,90 sFr
 
Weitere Informationen: https://www.randomhouse.de