Und… bitte!

Kleists „Der zerbrochne Krug“ als Burleske mit Ansage

von Frank Becker

v.l.: Thomas Braus, Konstantin Rickert, Lena Vogt, Jonas Gruber, Philippine Pachl, Alexander Peiler - Foto © Uwe Schinkel

Und… bitte!
 
Kleists „Der zerbrochne Krug“ als Burleske mit Ansage
 
Inszenierung: Marcus Lobbes - Bühne & Kostüme: Pia Maria Mackert – Dramaturgie: Barbara Noth - Regieassistenz: Barbara BüchmannInspizienz: Charlotte Bischoff
Besetzung: Thomas Braus (Dorfrichter Adam) - Jonas Gruber (Gerichtsrat Walter) - Konstantin Rickert (Schreiber Licht) - Philippine Pachl (Frau Marthe Rull) - Lena Vogt (Eve, ihre Tochter) - Alexander Peiler (Ruprecht) - Julia Reznik (Frau Brigitte)
 
Vorweg
 
Freunde der klassischen, äußerst feinsinnigen Kleistschen Komödie „Der zerbrochne Krug“ seinen gewarnt. Die Fassung, die Marcus Lobbes mit übersprudelndem Ideenreichtum dem Klassiker für die Wuppertaler Bühnen übergestülpt hat, ist, nun ja, zumindest etwas gewöhnungsbedürftig. Wir wissen ja, daß er das Schrille liebt.
Schrill sind die Bilder, schrill sind die Töne, schrill sind auch Ausstattung und Farben (Pia Maria Mackert), die aus dem bäuerlichen Amtszimmer und Alkoven des Dorfrichters Adam eine vielgestaltige bunte Bühne mit glimmernder Showtreppe und Moderator für die „Adam & Eve Show“ machen. Den Moderator, der routiniert durch die Show führt und (leider) auch das Publikum einbezieht, gibt glänzend billig Jonas Gruber, den man als Gast übrigens gerne wieder hier sehen würde und der auch den Gerichtsrat Walter angemessen verkörpert.


Erklärungsnot - v.l.: Thomas Braus, Konstantin Rickert - Foto © Uwe Schinkel

Dick aufgetragen
 
Ein Dorfrichter, der es in der Hand hat, einen Burschen vom Kriegsdienst zu befreien, nutzt diese Macht, um dessen hübscher Braut (Lena Vogt) nächtens auf die Pelle zu rücken. Entdeckt, muß er überstürzt fliehen, zerbricht einen Krug, verliert die Perücke, bekommt noch ein paar Hiebe auf den Schädel und stürzt überdies. Verkatert, verletzt und perückenlos soll er am folgenden Morgen darüber richten, wem die Schuld am zerbrochnen Krug zuzumessen ist. Kleists Grundgedanke dazu: „Seht, was das für eine Welt ist, in der Ihr lebt! Ihr hadert um ein Nichts, und wenn Ihr Recht sucht vor der bestellten Instanz, findet Ihr den ärgsten Sünder als Richter!“
Im „Fatsuit“ tritt Thomas Braus als verlogener begehrlicher Dorfrichter Adam auf, der nun also fatalerweise über sich selbst richten muß – und bleibt trotz Wampe und aller Turbulenzen und vielen Radaus doch recht dünn, dafür aber von der Maske über die Maßen verunstaltet. Die Blessuren sind nur ein Teil des manchen, das hier arg dick aufgetragen wurde, ob es die bis auf den Kanonenofen Adams absurde Ausstattung der Handlungsorte ist, die Ausstaffierung von Philippine Pachl (die mit Redefluß begeistert und zielgenau Eier wirft) nahezu als Parodie auf Frau Dörte, Adams clownesker Klumpfuß, die meisten Garderoben oder der mit steigender Frequenz von Adam geführte Gerichts-Hammerschlag. Und zu allem Ärger wurde eine der schönsten komödiantischen Passagen zusammengestrichen, die Schmeichelei Adams gegenüber dem Gerichtsrat Walter mit der topischen Zeile „Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Gläschen…“. Die nämlich fehlt unter anderem. Dafür gibt es viel Überflüssiges, wie die Kleist wie so einiges untergeschobene Genitalwaschung Ruprechts (zu wenig gefordert: Alexander Peiler).


v.l.: Lena Vogt, Julia Reznik - Foto © Uwe Schinkel

Dann aber gibt es zum Trost andere kleine Gags wie die zunehmende magnetische Wirkung des Richterstuhls auf Schreiber Licht (herrlich aufdringlich Konstantin Rickert) und den Griff zum Wandtelefon bei: „Maria und Josef ruf ich an!“, Klompen und zerbrechliche Krüge aus Schaumstoff und eine Frau Antje, pardon Brigitte (sympathisch deftig Julia Reznik) wie aus der RAMA-Reklame, die immer wieder versöhnen. Zur Versöhnung gehört auch das allem Druck stand- und die Wahrheit zurückhaltende Widerstreben Eves (Lena Vogt), um ihrem Ruprecht den Weg aus dem Militärdienst freizuhalten, was ja der eigentliche Auslöser für die Turbulenzen war, die in Frau Marthes zerbrochenem Krug und dem malträtierten Schädel des Richters als Folge übereilter Flucht aus Eves Jungmädchenzimmer ihren Gipfel fanden.
Es kommt, wie es kommen muß, der Richter wird abgesetzt, der Schreiber kommt dessen Amt, und das junge Paar ist gerettet. Daran wurde zu Glück nicht gedreht.


v.l.: Alexander Peiler, Jonas Gruber, Lena Vogt, Thomas Braus, Konstantin Rickert, Philippine Pachl - Foto © Uwe Schinkel

Komisch allein genügt nicht
 
Komisch ist das über weite Passagen ohne Zweifel, doch für die falsche Show ausgedacht. Marcus Lobbes kann das nachweislich besser, denken wir nur an „Leonce und Lena“, seinen „König Lear“ oder „Der Sturm“. Es bleibt also nicht sonderlich viel mehr übrig vom Kleistschen Ringen um die Wahrheit, vom Drama um Liebe und Fleischeslust, Moral und Erpressung, Sühne und Rettung als eine burleske Klamotte, eine Karikatur, auch was die Charaktere angeht. Zu sehr müssen die Figuren hinter zwar herrlich bunte, plakative Knalleffekte und Running Gags zurücktreten (Ei, Kreuz- und Satanszeichen, „hier“-Rufe bei Namensnennung, „er hat … gesagt!“ bei derben Vokabeln). Zu zerpflückt und flach wirkt das ganze. Das ist zwar vordergründig lustig, und bringt eine Lacher-Quote, doch darf angezweifelt werden, ob eine perfekte Komödie – und das ist Kleists „Der zerbrochne Krug“ – mit solchen Mätzchen verbessert bzw. publikumsnäher gestaltet werden kann. Obwohl: Ich traf nach der bestens besuchten Premiere viele honorige und kluge Gäste, die sich göttlich amüsiert hatten. Also muß an dieser Interpretation Kleists doch etwas gewesen sein. Ich hab´s nicht gefunden.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de