Paula Modersohn-Becker - Zwischen Worpswede und Paris

Ein Gang durch die Ausstellung (3)

Red./Bec.

Selbstbildnis 1906
Paula Modersohn-Becker
Zwischen Worpswede und Paris
 
Von der Heydt-Museum Wuppertal
9. September 2018 – 6. Januar 2019
Ein Gang durch die Ausstellung (3)
 

Zeichenunterricht bei Fritz Mackensen
 
Paula Becker wird – wie auch die Bildhauerin Clara Westhoff – Schülerin von Fritz Mackensen. Vornehmlich mit Kohle und Kreide entstehen in dieser Zeit ausdrucksstarke Porträtzeichnungen, dazu Akte nach Modellen aus dem Worpsweder Armenhaus. Der schonungslose Realismus ist beeindruckend. Die junge Künstlerin setzt sich durch ihre analytische Beobachtungsgabe und ein individuelles Formempfinden von der Arbeitsweise der Worpsweder Künstlerkollegen ab.
Auf die kritische Frage ihres Lehrers Mackensen bei der Korrektur, ob sie das, was sie da gemacht hätte, wirklich so sähe, antwortet sie spontan mit „Ja“, dann folgt ein „Nein“. Sie strebt nicht nach einem „innigen Nachbilden“ der Natur wie Mackensen. Sie folgt den Linien, die sie sieht, mit dem Stift und will das Gesehene sichtbar machen, ohne Rücksicht auf Schönheit und Konvention. So entsteht der große lineare Umriss ihrer frühen Porträts, mit knapper Binnenzeichnung und einfacher, großformatiger und toniger Modellierung. In dieser linearen Abstraktion erfasst sie das Wesentliche eines Gesichts, eines Körpers. Es geht ihr um die Größe und Einfachheit des Menschen.

Tagebucheintrag, 1. Dezember 1902:
 
„Wenn bei der Größe der Form, die ich anstrebe, noch dieses Wesenhafte dazukäme, so ließe sich etwas machen. …Die Art, wie Mackensen die Leute hier auffaßt, ist mir nicht groß genug, zu genrehaft. Wer es könnte, müßte sie mit Runenschrift schreiben.“


Clara Rilke-Westhoff Paula Modersohn-Becker 1908  - Foto  Frank Becker 

Brief an die Eltern, 12. Februar 1899:
 
„Ich glaube, ich werde mich von hier fortentwickeln. Die Zahl derer, mit denen ich es aushalten kann, über etwas zu sprechen, was meinem Herzen und meinem Nerven naheliegt, wird immer kleiner werden.“
 
Die „Familie“ – Der Kreis der Freunde auf dem Barkenhoff
 
Die Künstlervereinigung zerbricht 1899. Paula ist nun Teil der sogenannten „Familie“, ein Freundeskreis, der sich sonntags im Weißen Musikzimmer von Vogelers Hof Barkenhoff trifft.  Neben Vogeler, seiner Frau Martha und Paula Becker gehören unter anderen Paulas Schwestern Milly und Herma, Clara Westhoff, Marie Bock, Otto Modersohn, Rainer Maria Rilke und der Schriftsteller Carl Hauptmann, Bruder von Gerhart Hauptmann, dazu.
Vogeler hatte mit ererbtem Geld ein Bauernhaus zu einem eindrucksvollen Jugendstilanwesen, den Barkenhoff, umgebaut. Er war der Exot unter den Malern, malte aus der Fantasie und orientierte sich eher an Art Nouveau und den Präraffaeliten als an der französischen oder deutschen Landschaftsmalerei. Mehr als der Malerei galt sein Interesse dem Kunstgewerbe. Neben Otto Modersohn ist es Heinrich Vogeler, der von Paula Beckers Kunst überzeugt ist, fest daran glaubt, dass sie es zu etwas bringen wird, und sich nach ihrem Tod um die Ausstellung ihres Werkes bemüht.
1901 heiraten Paula Becker und der um elf Jahre ältere Otto Modersohn. Ihre Kunstauffassung bringt sie zusammen. Otto Modersohn formuliert es in einem Tagebucheintrag am 19. April 1902:
„Als Devise meiner Kunst paßt nichts so gut als das früher mit P. oft gebrauchte: Das Ding an sich – in Stimmung“. Und später, als die Malerin sich mit Trennungsgedanken in Paris aufhält, erinnert er sie an ihre Gemeinsamkeiten (Brief 13. Juni 1906): „Weißt du noch, wenn wir unser Kunstideal formulierten, groß u. intim‘. Dir ist angeboren das, groß‘ u. mußt erwerben das, intim‘, mir ist angeboren das, intim‘ u. ich muß erwerben das, groß‘“.
 
 
Tagebucheintrag von Otto Modersohn, 15. Juni 1902:
 
„Gestern Abend hat P. mich wirklich überrascht durch eine Skizze aus dem Armenhaus mit der 3bein. Ziege, Hühnern – ganz famos in den Farben, in Bildfassung riesig merkwürdig und mit Pinselstil in die Oberfläche kraus, krieselig gemacht. Merkwürdig, wie groß diese Sachen sind, riesig als Maler gesehen. Mich interessiert tatsächlich nicht einer hier in Worpswede auch nur annähernd so wie Paula.“
 
Tagebucheintrag von Otto Modersohn, 26. September 1903:
 
„Sie haßt das conventionelle u. fällt nun in d. Fehler alles lieber eckig, häßlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Audruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins. …Rath kann man ihr schwer ertheilen, wie meistens.“


Paula Modersohn Schuetzenfest in Worpswede 1904 - Foto © Frank Becker

Folgen Sie am kommenden Dienstag hier weiter dem Gang durch die Ausstellung.
 
Redaktion: Frank Becker