Eva Besnyö (1910–2003). Photographin (2)

Eine Ausstellung im Käthe Kollwitz Museum Köln

Red./Bec.

Sommerhaus Groet Nordholland 1934 © Eva Besnyö

Eva Besnyö (1910–2003). Photographin 

Budapest, Berlin, Amsterdam
21. September – 6. Januar 2019

 
Neue Wirkungsstätte: Amsterdam
 
Durch ihre Heirat mit dem Niederländer John Fernhout (1913–1987) im Juli 1933, dem Sohn der Malerin Charley Toorop und Enkel des Symbolisten und Jugendstilmalers Jan Toorop, findet Eva Besnyö in einer Amsterdamer Künstlerfamilie ein neues Zuhause.
Unerwartet hohes Ansehen erlangt sie im Frühjahr 1933 mit einer Einzelausstellung von rund vierzig Photographien, die zuerst im Amsterdamer Kunstzaal von Carel van Lier gezeigt wird – einer für Moderne Kunst international bekannten Galerie. Im Anschluß wandert die Schau nach Utrecht, Amersfoort und Rotterdam. Hier präsentiert Eva Besnyö vor allem Budapester, Berliner und einige Amsterdamer Motive, wie etwa das Portrait des Bildhauers John Rädecker (1885–­1956).
Auf einer Sommerreise nach Zeeland lernt sie zum ersten Mal die Besonderheit der niederländischen Landschaft kennen. Die Menschen im alten Bauerndorf Westkapelle leben noch ganz in der Tradition, in der die Männer dem Meer das Polderland abgerungen haben. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in den Niederlanden findet sie in dieser Umgebung zum freien Photographieren zurück. Mit Aufnahmen vor der weiten Bühne des weißen Sandstrandes, etwa Schatten von John, knüpft sie an die gemeinsamen Experimente wie John Fernhout an der Ostsee in Deutschland an.
Ende 1934 bezieht Eva Besnyö in Amsterdam zusammen mit dem Photographen Carel Blazer (1911–1980) und dem Architekten Alexander Bodon (1906–1993) das Haus 522 in der Keizersgracht. Zu dritt bewohnen die Künstler drei Etagen und unterstützen sich gegenseitig bei der Arbeit.


Kantine der AVRO-Studios Hilversum 1936 © Eva Besnyö

Neues Sehen, Neues Bauen
 
Mit einem modern gestalteten Faltblatt wirbt Eva Besnyö 1933 für ihre Portrait-, Kinder-, Werbe- und Architekturaufnahmen – nicht ahnend, daß die Architekturphotographie in den folgenden Jahren ihre wichtigste Einnahmequelle werden wird.
Die neusachliche Ästhetik ihrer Photographien begeistert auf der Ausstellung im Amsterdamer Kunstzaal van Lier unter anderem die niederländischen Architekten. Vertreter der Gruppe De 8  in Amsterdam und der radikal abstrakten Gruppe Opbouw in Rotterdam halten ihre von der Diagonale dominierte Bildgestaltung für außerordentlich geeignet, um die Wirkung eines kubischen Baukörpers in der zweidimensionalen
Photographie zum Ausdruck zu bringen.
Mit einer eigens für Architekturaufnahmen angeschafften Linhof-Platten-Kamera 9 x 12 cm ist Eva Besnyö zwischen 1934 und 1939 unterwegs auf Baustellen und in öffentlichen und privaten Gebäuden, z.B. in den AVRO-Radio-Studios des niederländischen Rundfunks in Hilversum, im Cineac-Kino in Amsterdam, aber auch in privaten Villen und Sommerhäusern wie dem Haus in Groet in Nordholland. Bei diesen Aufnahmen zeugen rechte Winkel und Schrägen bis in die Fugen der Fußbodenfliesen oder die Muster der Korbsessel einmal mehr von der künstlerischen Handschrift der Photographin. Hier nutzt sie wie auch bei vielen ihrer anderen Architekturaufnahmen das gleißende Sonnenlicht und den Schlagschatten, aber auch jede andere Brechung der Lichteinwirkung.
Mit Aufnahmen wie diesen wird sie in den 1930er Jahren in Amsterdam zur führenden Photographin der niederländischen Architektur des Neuen Bauens.


Violette Cornelius Photographin Keizersgracht 522 Amsterdam 1938 © Eva Besnyö


Borgerstraat, Amsterdam 1960 © Eva Besnyö

Krieg, Verfolgung und Neubeginn
 
Am 10. Mai 1940 – Eva Besnyö lebt versteckt bei Freunden in Rotterdam – überfällt die Deutsche Wehrmacht die Niederlande und legt die Stadt in Schutt und Asche. Kurz nach der Bombardierung ist die Photographin mit ihrer Kamera unterwegs, um die Zerstörung zu dokumentieren. Am 14. Mai wird das Land zur Kapitulation gezwungen. Umgehend setzen die deutschen Besatzer die Gleichschaltung der Presse und das Verbot der meisten Parteien durch. Mit der verordneten ›Arier-Erklärung‹ beginnt die systematische Ausgrenzung der Juden aus der niederländischen Gesellschaft. Mit Hilfe eines fingierten Stammbaums wird Eva Besnyös Antrag auf ›Arisierung‹ 1944 stattgegeben. 
Dennoch bedeutet der Zweite Weltkrieg für die Photographin das Ende eines überaus erfolgreichen Jahrzehnts. Bis sie zu einem Leben in Sicherheit zurückfindet und an ihre berufliche Reputation anknüpfen kann, wird es viele Jahre dauern. Erst Anfang der 1950er Jahre besinnt sich Eva Besnyö – inzwischen Mutter zweier Kinder – auf ihre große Leidenschaft für schwarz-weiße Bildkompositionen zurück.
1953 erhält sie die Einladung zur Teilnahme an einer Ausstellung europäischer Nachkriegsphotographien im New Yorker MoMA. Mit ihrer Aufnahme der Näherin (1951) ist sie an der von Edward Steichen konzipierten Wanderausstellung The Family of Man (1955) beteiligt, die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in alle Welt aussenden soll. 1957, auf der ersten Biennale für Photographie in Venedig, wird Eva Besnyö mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.


Eva Besnyö, Akt, Mátásföld, Ungarn 1932 1931 © Eva Besnyö

Doch trotz dieses neuen Erfolges und dem wiedergewonnenen Elan, photographisch tätig zu sein, bleibt der Einschnitt durch Krieg und Verfolgung nicht spurenlos. Auf die anstrengenden Jahre der Doppelbelastung als Mutter und freiberufliche Photographin folgt eine Zeit, in der sie nur wenig mit der Kamera unterwegs ist – bis sie während der Aktionen der Frauenbewegung Dolle Mina in den 1970er Jahren in die neue Rolle einer Reporter-Photographin mit der Leica-Kamera wechselt.
 
Kuratorinnen

Titel: Eva Besnyö, Selbstportrait, Berlin 1931 © Eva Besnyö
 
Marion Beckers ist seit 1990 Geschäftsführerin und Chefkuratorin des Vereins Das Verborgene Museum, Berlin, der Lebenswerke von vergessenen Künstlerinnen erschließt, ausstellt und publiziert. Autorin und Co-Autorin u. a. von Monographien über die Photographinnen Lotte Jacobi, Yva (Else Neuländer-Simon), Frieda G. Riess und Eva Besnyö.
Elisabeth Moortgat ist Kunsthistorikerin, Autorin und freie Ausstellungskuratorin, sowie Vorstandsmitglied des Vereins Das Verborgene Museum, Berlin. Aufsätze zur Geschichte der Photographie des 20. Jahrhunderts, Co-Autorin von Monographien u.a. über Lotte Jacobi, Yva (Else Neuländer-Simon), Frieda G. Riess und Eva Besnyö.
Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit DAS VERBORGENE MUSEUM, Berlin

Weitere Informationen: www.kollwitz.de

Zur Ausstellung ist im Kölner Wienad Verlag ein Katalog erschienen:
Eva Besnyö - Photographin - Budapest • Berlin • Amsterdam
(Hrsg. von Hannelore Fischer für das Käthe Kollwitz Museum Köln)
© 2018 Wienand Verlag, 128 Seiten, Klappenbroschur, 22 x 27 cm - ISBN: 978-3-86832-458-7
 
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag // 10–18 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertag // 11–18 Uhr
Montags geschlossen
Eintritt
5,00 € // erm. 2,00 €
Schulklassen: 1,00 € pro Person bei Schüler- und Studentengruppen ab 10 Personen
Freier Eintritt für alle Kinder unter 6 Jahren

Redaktion: Frank Becker