„Höher – schneller – weiter“

Ernst Peter Fischer – „Erster sein“ - Die Natur des Menschen und die Kultur des Sports

von Frank Becker

Alles über Sport – populär vermittelt
 
Ein unersetzliches Kompendium über das Prinzip
„Höher – schneller – weiter“
 
Das Spiel ist ein Weg der Natur, das Lebewesen lebenstüchtig zu machen.
Sport gehört zu den menschlichen Pflichten der Selbstvollendung.
(Carl Diem, Weltgeschichte des Sports, 1960)
 
Ernst Peter Fischer gehört vermutlich zu den klügsten Köpfen in unserem Land. Universell gebildet hat er bisher gleichermaßen fachlich brillant wie unterhaltsam über Physik und Molekularbiologie, Theologie und Wissenschaftsgeschichte, Philosophie und Ästhetik, Medizin und Kernphysik, Astronomie und Literatur, die Evolution und Anatomie, Licht, Farbe und Dunkelheit publiziert – was allerdings nur eine kleine Auswahl aus seinem Œuvre ist. Bücher über u.a. Albert Einstein und Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und Charles Darwin, Niels Bohr und Max Planck gehören ebenfalls zum umfassenden Angebot seiner Publikationen.
 
Nun also Sport. Der Drang, sich im sportlichen Wettkampf zu messen und dabei zu siegen, ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, heißt es im Klappentext seines jüngsten Buches „Erster sein – Die Natur des Menschen und die Kultur des Sports“. Und weiter: Ernst Peter Fischer beschreibt in dieser fundierten Betrachtung sportlicher Aktivitäten von den ersten Zeugnissen aus der Antike bis zur unmittelbaren Gegenwart, wie Siege errungen wurden.
Er tut das sowohl sachlich genau wie auch mit der dem Thema innewohnenden Empathie und den dazugehörigen Geschichten.
 
Wie von EPF gewohnt, begnügt er sich auch hier nicht mit Marginalien, sondern schöpft das Thema vom Aufwärmen bis ins Ziel in unnachahmlicher Manier aus. Da weckt Ernst Peter Fischer dank seiner populären Sprache gleich beim Anlauf nehmen Interesse auch beim nicht unbedingt sportbegeisterten Leser für diesen Bereich unseres Gemeinschaftslebens, der immerhin so wichtig ist, daß ihm in den täglichen Nachrichtensendungen und den Gazetten ein nicht geringer Platz eingeräumt wird. Sport ist über die gesunde und den Wettbewerb fördernde persönliche Betätigung des Individuums hinaus längst ein starker Wirtschaftsfaktor und politisches Machtinstrument geworden, zudem ein Sektor, auf dem sich vornehmlich im Fußball mächtige mafiöse Strukturen mit einem undurchschaubaren System von Korruption und Schiebung gebildet haben, wie das Recherche-Portal „Football Leaks“ aktuell berichtet.

Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib
ein Tempel des Heiligen Geistes ist (...)?
1. Korinther 6,19

Aber das ist nur ein Randbereich der Geschichte des Sports von der Jagd nach der lebensnotwendigen Beute bis zu den heutigen Medaillenjägern, vom spielerischen Kräftemessen bis zur Rekord- und G(o)eldsucht im Profi-Sport mit dem unlauteren Hilfsmittel (Staats-)Doping, wie EPF sie aufzeichnet.

Denn ihr seid teuer erkauft.
1. Korinther 6,20
 
Wie könnte man besser einsteigen als mit Fritz Walter und der Fußball-WM 1954, die im Stadion von Bern aus dem Kriegsverlierer Deutschland wieder einen stolzen Sieger machte. Also tut Ernst Peter Fischer es und läßt zur Einstimmung noch einmal den unvergessenen Rundfunk-Kommentar von Herbert Zimmermann nachlesen (nicht aber die emotionalen Worte: „halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt…“ und schließlich „Aus! Aus! Aus! Auus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!“, bei denen sich gestandene Männer vor dem 36-cm-Bildschirm im Wohnzimmer meiner Eltern weinend in den Armen lagen).
Aber sonst fehlt dem hervorragend recherchierten Buch nichts – na ja, vielleicht ein Index. Es erzählt die Geschichte der Olympischen Spiele und der Sportarten, auch solcher, die wie Stierkampf, Rugby, American Football, Softball, Baseball oder Surfen hierzulande weniger gepflegt werden, berichtet von Ereignissen, Rekorden und Skandalen im Sport, die ihrerseits Geschichte geschrieben haben, und widmet sich besonders intensiv den Disziplinen, die regelmäßig Millionen in die Stadien, auf die Aschenplätze an die Strecken und vor die Fernsehbildschirme holen: Fußball, Tennis, Radrennen, neuerdings auch Biathlon. Blicke zurück in die Geschichte bringen uns zu den Wettkämpfen der Maya, zu den Gladiatoren und den höfischen Turnieren des Mittelalters. Ernst Peter Fischer erläutert verständlich die biomechanischen und physiologischen Zusammenhänge bei der Ausübung von Sport und erzählt von den Schmerzen und der Lust der Extremsportler. Das ist Schmökerstoff von hohem Rang, der blendend unterhält und Wissen auf angenehme Art vermittelt. Das Buch verdient unser Prädikat, den Musenkuß.
 
Die Eile ist des Teufels.
(Hat allerdings mit J.W. von Goethes Faust rein nichts zu tun.)
 
Ernst Peter Fischer
geboren 1947, Studium der Physik und Biologie. Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Heidelberg. Verschiedene freie Tätigkeiten als Wissenschaftsvermittler und Berater. Autor zahlreicher Bücher (s.o.)
 
Ernst Peter Fischer – „Erster sein“
Die Natur des Menschen und die Kultur des Sports
© 2018 Edition Zeitblende, 340 Seiten, Ganzleinen, 16,5 x 24 cm, ca. 50 Abbildungen, Lesebändchen, Farbschnitt  -  ISBN: 978-3-03800-028-0
Lektorat: Dr. Annalisa Viviani
Gestaltung: Torsten Illner, Jule Claudia Mahn, Helmut Stabe
39,- €
 
Weitere Informationen: www.editionzeitblende.de  -  www.epfischer.com/