Glaskunst - Zwei Ausstellungen in der Glashütte Gernheim, Petershagen

Historische Weingläser aus der Sammlung Christian Jentsch und moderne Glaskunst

Are/Red./Bec.

Mattiertes Weinglas von Ulrica Hydman-Vallin, entworfen um 2000 - Foto © Christian Jentsch

Weingläser aus vier Jahrhunderten
- und moderne Glaskunst
 
Historische Weingläser aus der Sammlung Christian Jentsch
und moderne Glaskunst aus den letzten 20 Jahren
in der Glashütte Gernheim, Petershagen
 
Aus welchen Gläsern trinken wir Wein? In den letzten vierhundert Jahren wurde diese Frage unterschiedlich beantwortet. Allerdings spiegeln die Gläser nicht nur den Geschmack ihrer Epoche, sondern auch die technischen Möglichkeiten ihrer Entstehungszeit wider.
 
Vom Unikat zur Massenware
 
„Weingläser aus vier Jahrhunderten“ repräsentieren den Wandel des Weinglases vom einfachen Waldglas bis zum Trinkgefäß nach Entwürfen renommierter Designer aus industrieller Serienfertigung. Herausragende Exponate aus der Sammlung von Christian Jentsch dokumentieren die Schöpfungen verschiedener Epochen. Die Weingläser bezeugen die Wandlungsfähigkeit von Glas sowie die Entwicklung vom einfachen Waldglasrömer aus dem frühen 17. Jahrhundert über die venezianischen Schöpfungen bis hin zu den Massenprodukten nach Entwürfen von Designern im 19. und 20. Jahrhundert.


Pokal mit floralem Schnitt und „geblänkten Kugeln“, Böhmen, 1680-90
Foto © Christian Jentsch

Bis zum 19. Jahrhundert galten Trinkgläser als kostbares Luxusgut. Oft standen sie im Rang der Unikate oder Kleinserien. Zunehmend fanden Trinkgläser aber weitere Verbreitung, da dank technischer Entwicklungen nun auch größere Mengen einfacher Gläser hergestellt wurden. Zusätzlich konnten die Hütten verbesserte Vertriebswege nutzen.
Form, Glasfärbung oder Stärke der Wandungen folgten nicht nur dem Geschmack der Epoche. Im Weinglas spiegelten sich ebenso die technischen Möglichkeiten der Entstehungszeit, wie beispielsweise das böhmische Kreideglas oder die venezianischen Kelchgläser.
Trinkgläser aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts standen unter dem Einfluß von Jugendstil, Art Déco und Funktionalismus. Zu einer weitreichenden Innovation kam es 1961 als in Zwiesel die ersten maschinell erzeugten Kelchgläser entstanden.
 
Moderne Glaskunst
 
Unter dem Titel „20 x Glas aus Gernheim“ präsentiert das Museum gleichzeitig moderne Glaskunst und blickt auf Ausstellungen zurück, die eine charakteristische Beziehung zu dem Ort aufweisen. Die gezeigten Stücke sind entweder in der Hütte selbst entstanden, wurden dem Haus in Schenkungen überlassen oder repräsentieren wichtige Epochen der Glasherstellung aus der Betriebszeit der einst bedeutenden Glashütte.


Jaakko Liikanen Tutti Frutt - Foto © LWL

Vor allem das aktive Glasstudio bot zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Entwürfe zu realisieren und auszustellen. So entstand im Lauf der Jahre in der Glashütte Gernheim eine vielschichtige Sammlung zu angewandter und freier Kunst. Beispielhaft wurden dazu zum Jubiläum Objekte ausgewählt, die in enger Beziehung zum Ort stehen: Die meisten entstanden im Glasstudio gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Ausstellungen in Gernheim zeigten. Viele von ihnen arbeiteten selbst am Ofen der Hütte, so das Kollektiv Lasismi oder Ursula Huth. Andere Objekte sind dem Museum als Schenkungen übergeben worden und thematisieren bedeutende Epochen und Techniken der Glasherstellung.
Wieder andere Kunstwerke erinnern an besonders einprägsame Ausstellungen der letzten 20 Jahre. Beispielsweise die Installation des Amerikaners Therman Statom aus dem Jahr 2003, deren Inspiration die Weser, die Landschaft und ihre Mythen war. Oder eine Plastik von Erwin Eisch, dem Begründer der Studioglas- Bewegung, die Glas erstmals zum Material künstlerischen Ausdrucks erhob. Fesselnd sind auch die Installationen von Karin Hubert, die mit Gravur und Schrift arbeitet. Ihr war die erste monografische Ausstellung gewidmet. Vertreten sind außerdem Glasmacher und Graveure der ersten Stunde: Veronika Beckh, Heikko Schulze Höing und Korbinian Stöckle.


Schale von Veronika Beckh, geformt unter Anwendung der Heißglas-Technik. Foto © Peter Hübbe

LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim
Gernheim 12 - 32469 Petershagen - Tel: 05707-9311-22
Beide Ausstellungen sind bis zum 12. Mai nächsten Jahres zu sehen.
Die Ausstellungen sind dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
 
Redaktion/Recherche: Frank Becker