Der Mensch

von Matthias Claudius

Foto © Karl-Heinz Krauskopf 

Der Mensch
 
Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar
Kömmt er und sieht und höret
Und wird des Trugs nicht wahr;
Gelüstet und begehret
Und bringt sein Tränlein dar;
Verachtet und verehret,
Hat Freude und Gefahr;
Glaubt zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts und alles wahr;
Erbauet und zerstöret,
Und quält sich immerdar,
Schläft, wachet, wächst und zehret,
Trägt braun und graues Haar...
Und alles dieses währet,
Wenn´s hoch kommt, achtzig Jahr.
Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,
Und er kömmt nimmer wieder.
 
 
Matthias Claudius