Unheimlich, fesselnd, perfide, brillant

Friedrich Dürrenmatt: "Die Panne" - gelesen von Christian Brückner

gehört von Frank Becker
Ernst David Hülle "Die Praxis des Verhörs"

Alfredo Traps, Textilreisender, mit seinem eleganten rotlackierten Studebaker auf dem abendlichen Heimweg von einer Geschäftsreise, hat eine Panne. Ein Fehler in der Benzinzufuhr, wie der Garagist feststellt. Erst am nächsten Morgen zu reparieren. Traps könnte mit dem Zug weiterreisen, entscheidet sich jedoch in der Hoffnung auf ein amouröses Abenteuer, im Gasthof zu übernachten. Doch der ist belegt. Eine benachbarte Villa wird ihm empfohlen, der Hausherr gebe in solchen Fällen mitunter Quartier.
Dort lebt
der 87-jährige namenlos bleibende Hauseigentümer, ein liebenswürdiger Herr, der von der Haushälterin Mlle. Simone versorgt wird. Traps bekommt Unterkunft und wird zum Abendessen anschließendem geselligen Abend eingeladen - drei Freunde kämen, zum Essen und zu einem Spiel. Traps akzeptiert widerstrebend. Zu gerne hätte er im Ort nach einem Abenteuer gesucht. Daß er es hier bekommen wird, ahnt er noch nicht.

Simone kocht hervorragend, ein opulentes Diner verwöhnt den Gaumen, exzellente Weine die Sinne. Traps beginnt sich wohlzufühlen und stimmt der Teilnahme an dem Spiel zu. Doch die vier alten Herren und das Spiel werden dem Gast zum Alptraum und zum Schicksal: der Hausherr (87), Herr Pilet (77), Herr Kummer (82) und Herr Zorn (86) waren früher Staatsanwalt, Richter, Rechtsanwalt und... Henker. Sie drängen Traps in die Rolle eines Angeklagten, ermitteln, plädieren, weisen
ihm raffiniert  einen fiktiven Mord nach - und fällen das Urteil...

Dürrenmatt läßt ein subtiles Grauen sich hinterhältig schleichend entfalten, von Traps wie vom Zeugen des akustischen "Gerichtsfalles" - beide sind ihm rettungslos ausgeliefert -
Besitz ergreifen, Traps sich schließlich vor die Notwendigkeit von Konsequenzen gestellt sehen. Christian Brückner liest die Erzählung mit solch durchdringend leiser Intensität, daß beim Zuhören (da kann man einfach nicht mehr weghören) Bilder entstehen, sich ein Grauen um das Herz des Hörers krampft - oder, um mit William Shakespeare und der Reihe rororo thriller zu sprechen: "A faint cold fear thrills through my veins" (Romeo und Julia, 4. Akt). Brückner wird Dürrenmatts perfide erdachtem Text aufs Gemeinste gerecht. So muß ein Hörbuch sein.
Ach ja, wundern Sie sich nicht über die Überschrift dieser Besprechung - hören Sie sich die Geschichte an...

Beispielbild

Die Panne
von Friedrich Dürrenmatt

Ein Diogenes Hörbuch
gelesen von Christian Brückner

(P) 1988 Norddeutscher Rundfunk
© 2007 Diogenes Verlag Zürich

CD 1:  56:46
CD 2:  54:55

Weitere Informationen unter:
www.diogenes.ch