Nur Aenne Schwarz macht diesen überschätzten Film sehenswert.

„Alles ist gut“ von Eva Trobisch

von Renate Wagner

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Alles ist gut
Deutschland / 2018

Drehbuch und Regie: Eva Trobisch
Mit: Aenne Schwarz, Andreas Döhler, Hans Löw, Tilo Nest u.a.
 
Nichts ist gut, darum geht es in „Alles ist gut“. Aber das bezieht sich nicht nur auf die Hauptfigur, sondern auch auf den Film von Eva Trobisch. Die Geschichte einer Frau, die vergewaltigt wird und darüber schweigt – mit diesem Themenansatz hat man das Werk, das zeitlich vor #metoo entstand, dann genau mit diesem Werbe-Aplomb verkauft. Aber es stimmt nicht. Der Film eignet sich inhaltlich nicht als Beweisführung für diese Thematik mit ihrem Macht-und-Gewalt-Anspruch. Und ist formal vage, die Machart entbehrt der Überzeugungskraft. Ungeachtet der Preisflut – beste Nachwuchsregisseurin auf dem Münchner Filmfest, bester Debütfilm in Locarno. Klar, wenn dann großartig „über die möglichen Zusammenhänge zwischen Schweigen und Gewalt in einem ökonomisch kontextualisierten Geschlechterverhältnis“ nachgedacht werden kann… Da hat der Kritiker zu verstummen.
 
„Alles ist gut“ fällt in eine neue Tendenz der „Undeutlichkeit“. Man lobt es als „lebensecht“, weil man in dem Patchwork von teils zusammenhanglosen Szenen nicht viel versteht, auch akustisch nicht. Das Leben ist kein Film, sicher. Aber Film ist auch nicht Leben. Man stoppelt sich als Betrachter das Schicksal von Jenne und ihrem unfreundlichen Freund Piet zu mühsam zusammen, schau mal, Zuschauer, was du kapierst. Finanziell am Ende, die beiden, entsprechend gereizt. Letztendlich werden sie sich trennen. Als Zuseher zuckt man die Achseln – man hat an keinen von den beiden besonderen Anteil genommen.
Besonders fragwürdig ist die „Vergewaltigungsszene“. Jenne ist bei einem dieser gewaltsam lustigen Klassentreffen, man trinkt zu viel, auch Martin, von dem man nicht genau weiß, wie gut sie ihn kennt. Jedenfalls nimmt sie ihn, da beide zu angetrunken sind, um Auto zu fahren, in ihr leeres Haus (wo ist Freund Piet?) mit, will ihm ein Bett richten, geht allerdings auf seine Plänkeleien ein, Küßchen, dann will sie doch nicht, er schon, er ist stärker, sie liegt am Boden, wehrt sich nicht… Da würde man sich allerdings nicht nur vor Gericht mit der Schuldfrage schwer tun, auch der Zuschauer schüttelt den Kopf, wie weit da einfach die durch Alkohol unscharfe Situation eines aufgereizten und nicht a priori zurückgewiesenen Mannes entgleist ist.
Zumal Eva Trobisch in ihrem Drehbuch ja diesen Mann, als Jenne ihm kurz danach als neuem Arbeitskollegen begegnet, nicht als gewissenlosen Macho gezeichnet hat. Er will reden, Jenne lehnt ab (was ihn natürlich erleichtert), er fragt wieder an, und als sie schwanger ist, zeigt er Betroffenheit, wobei – wie sie selbst sagt – ja seine Vaterschaft nicht sicher ist.
Vielleicht ist es das Bemerkenswerte an diesem Film, wie die Regisseurin den Verdrängungsprozeß zeigt, den Jenne sich selbst auferlegt, wobei irgendetwas an Wut und grausigem Unbehagen immer wieder ausbricht und weggeschoben wird. Sie erzählt die Sache nur kurz einer Freundin (die richtig sagt: „Nein ist nein“), trägt sie aber nicht weiter. Wie sollte sie auch argumentieren?
 
Zwischendurch (solcherart auch die Wiederbegegnung mit Martin) bekommt Jenne den neuen Job bei Robert, einem alten Bekannten, der auch ein alter Mann ist und sich mit einer jungen Frau herumquält: Sie lassen einen nicht jünger fühlen, sagt er philosophisch, sondern älter… auch diese beiden, deren Geschichte am Rande läuft, enden in körperlicher Gewalt.
Jennes so undurchsichtige, so ekelhaft schlechte Beziehung mit Piet geht ebenso zu Ende. Schließlich sitzt sie in der U-Bahn (auf dem Weg zu ihrem verunfallten Vergewaltiger!), man will ihr Ticket sehen, sie hat keines, sie konnte keines kaufen, weil der Apparat kaputt war, man verlangt, sie möge aussteigen, sie wehrt sich, hält den Zug auf… und ihr zusehend, wie sie obstinat sitzen bleibt, ist man am symbolträchtigen Ende des Ganzen, wo sich nichts mehr bewegt.
 
Das alles wurde unklar, unruhig, unscharf erzählt, ganz überzeugend gespielt von Andreas Döhler, dem ruppigen Piet, Hans Löw, dem nicht so grausamen Vergewaltiger Martin, und Tilo Nest als dem alternden Robert, der sich so schlecht in seiner Haut fühlt.
Und da ist Aenne Schwarz, die im Burgtheater (nehmen wir „The Who and the What“ von Ayad Akhtar einmal aus) nie so recht zur Geltung kommt, aber eine enorme Leinwand-Präsenz hat (wie sie schon in dem Stefan-Zweig-Film „Vor der Morgenröte“ an der Seite von Josef Hader gezeigt hat). Ihre Jenne ist ein sehr zeitgemäßer Frauentyp, der quasi still protestierend durchs Leben geht, ohne sonderlich hörbar aufzubegehren. Was sich ja für einen Teil ihrer Zeitgenossinnen, die sich seit #metoo so lautstark artikulieren, geändert hat… Nur Aenne Schwarz macht diesen überschätzten Film sehenswert.
 
Trailer   
 
Renate Wagner