Michael Zeller: Seh-Reise (52)
Mit Bildern durch das Jahr
52. Ausfahrt: Anselm Feuerbach
Nanna!
Ein Frauenkopf – wie gemalt. Perfekte Schönheit, die nichts will, als sich zu zeigen. Inszeniert mit dem Raffinement des Einfachen.
Vor einem neutral grauen Hintergrund sitzt die Abgebildete mit dem Rücken zum Betrachter und schaut an ihm vorbei ins Ferne. Das Abweisende dieser Haltung versöhnt der Maler mit der verführerischen Behandlung ihrer Bekleidung. Weiße Leinenbluse und roter Überwurf in ihrer suggestiven Stofflichkeit geben den Sockel ab, auf dem sich der spektakuläre Frauenkopf ohne jede Ablenkung erheben kann. Das scharf gezeichnete Gesicht und der weich modellierte Nacken nehmen den gleichen Raum ein wie das glänzend volle schwarze Haar des Südens, das auf dem Rücken von einem feinen Silbernetz aufgenommen ist. Die Härte des Kontrasts zwischen diesem nächtigen Schwarz und der Farbe der Haut steht der Dame bestens zu Gesicht. Der dunkle Blick geht klar und unablenkbar über eine Nase hinweg, wie man sie sonst nur an antiken Statuen zu sehen gewohnt ist. Ja, das ist eindeutig klassische Luft, die dieses Bild atmet. Da ist kein Platz für schmelzende stimmungshafte Valeurs. Das ist gemalt, als sei es in Stein gehauen (natürlich Marmor).
Lediglich in der Signatur, die der Maler mit feinem Pinsel auf den Oberarm der Bluse gesetzt hat, als wolle er ihn ganz sachte streicheln, scheint sich ein persönliches Gefühl zu verraten: „AFeuerbach“.
Anselm Feuerbachs Frauenporträt im Profil ist eines der ersten, das er von Anna Risi gemalt hat, kurz nachdem er sie für sich als Modell,
Vielleicht sind die Nanna-Bilder tatsächlich das Freieste, das Feuerbach zu schaffen vergönnt war. Die fünf Jahre jedenfalls, die er mit Anna Risi in Rom zusammenlebte, dürften, gerade in der Anfangszeit der Liebe, zu den glücklichsten Phasen seines Lebens gehört haben. An die zwanzig Mal hat er die herbe Römerin gemalt, nur als sie selbst, unbelastet von ihren mythischen Ahnfrauen Iphigenie, Medea, Mirjam, auch wenn die ihm auch noch in diesen intimen Momenten im Hinterkopf saßen. Da scheint es, als habe seine Begeisterung für alles Antike tatsächlich in die Alltäglichkeit seiner Malerexistenz hineingefunden, die er zwischen 1860 und 1865 in seinem römischen Atelier gelebt hat, und er trug sich sogar mit dem Gedanken, dieses Bild von einer Frau zu ehelichen, obwohl sie „aus dem Volke“ stammte.
Sein Jugendfreund Julius Allgeyer besuchte ihn gerade, als diese Anna Risi Feuerbach zum ersten Mal begegnete. Sie stand, ihr Kleinkind auf dem Arm, im Hof der Schusterwerkstatt ihres Mannes, und der Freund hat den Augenblick in seiner Feuerbach-Monographie von 1894 festgehalten. „Die Frau, eine Erscheinung von imponierender Hoheit, mochte Mitte der zwanzig sein. Eine Last von dunklen Haaren umrahmten die strengen Züge, deren Schnitt von der reinsten römischen Abstammung zeugte. Von dem Bilde überrascht und gefesselt, zögerte Feuerbach unwillkürlich einige Augenblicke im Weiterschreiten, und über das ernste Antlitz der Frau glitt ein flüchtiges Lächeln, als empfinde sie recht wohl die dem Weibe wie der Mutter absichtslos gezollte Huldigung.“
Bald darauf waren die beiden ein Paar und blieben es fünf Jahre lang. In dieser Zeit hat Feuerbach der Welt wohl seine schönsten Bilder geschenkt.
Anselm Feuerbach, Nanna, 1861 - Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Redaktion: Frank Becker
|