Ein Geniestreich

Marcus Schinkel Trio & Joscho Stephan – „Classic meets Gypsy“

von Frank Becker

Ein Geniestreich
 
Zigeunerjazz + Klassik
 
Eine fröhlichere und beschwingtere Wuth über den verlorenen Groschen , pardon Swing, haben Sie noch nie gehört, dafür verbürge ich mich! Ein Album, das derart musikalisch gewitzt mit einem swingenden Kratzfuß vor Altmeister Ludwig van Beethoven beginnt, ist mir bislang nicht untergekommen. Marcus Schinkel und Joscho Stephan überbieten sich mit rasanten Läufen auf Klaviatur und Saiten – ein grandioser Spaß! Und wo bleibt die bleierne Schwermut der Patetique in der Sonate Nr. 8, op. 13 Ludwigs? Perdu, hinweggezaubert von Fritz Roppel am Kontabaß, Stephans Gitarre, dem Schlagzeug unter den Besen Wim de Vries´ und der Leichtigkeit der Tasten unter Schinkels Fingern.

     Perlen klassischer und impressionistischer Musik sowie einen Abstecher in die Filmmusik des 20. Jahrhunderts - Nino Rotas „Brucia la terra“ aus „The Godfather“ - mit hinreißendem Zigeuner-Swing zu verbinden erweist sich als Jackpot. Wer je gezweifelt hätte, hört hier den ultimativen Beweis dafür, daß es eine musikalische Grenze nicht gibt. Heißblütig und mit der pianistischen Raffinesse der Großen des Modern Jazz spielt Franz Lizsts Liebestraum in einer völlig neuen Liga, und der 4. Satz aus Beethovens 4. Sinfonie op. 60, ist schlicht atemberaubend. Joscho Stephans Tanz auf den Saiten stellt sogar Les Paul in den Schatten und Marcus Schinkel gibt hörbar seinem großen Vorbild Oscar Peterson die Ehre.
     Das viel zu selten zu hörende Theremin veredelt im Intro unter Schinkels Händen wie in einem schönen Traum Claude Debussys „Reverie“, bevor er mit dem Klavier ein weiteres Mal Ohr und Seele schmeichelt und Joscho Stephan an seine Seite tritt. Wenn auch der Ausklang ein wenig nach Hermann Hoffmanns Dachkammermusik klingt, ist es doch eines der schönsten Stücke dieses Albums. Auf Mozarts „Non si piu“ aus Figaros Hochzeit folgt im strikten Tango-Rhythmus Nino Rotas „Brucia la terra“, dominiert von Marcus Schinkels Melodica und Joscho Stephans Gypsy-Gitarre. Die das Album schließende Interpretation von Beethovens Ode an die Freude aus seiner 9. Sinfonie belegt ein weiteres Mal die Vielseitigkeit der Formation um Marcus Schinkel und Joscho Stephan, der sich damit abermals als einer der besten Gypsy-Gitarristen der Gegenwart bewist.
 
„Classic meets Gypsy“ ist ein Geniestreich voller Delikatesse, der, wäre das Jahr nicht noch so jung, bereits in der engen Auswahl für unser Album des Jahres sein könnte. Auf jeden Fall aber ist es das Album des Monats Februar und erhält unser Prädikat, den Musenkuß (mit Sternchen und Lorbeer). Und am Jahresende votieren wir noch mal.
Ab heute, 1.2.2019, ist die Platte zu haben. Also nix wie hin!
 
Marcus Schinkel Trio & Joscho Stephan – „Classic meets Gypsy“
© 2018 MGL Musik Produktion
Joscho Stephan (g) – Marcus Schinkel (p, melodica, theremin) – Fritz Roppel (b) – Wim de Vries (dr)
 
Titel
1. Die Wuth über den verlorenen Swing - 2. Swingin' patetique - 3. Nachklänge aus dem Theater - 4. Liebestraum - 5. Four in four - 6. Reverie - 7. Non so più - 8. Brucia la terre (The Godfather) - 9. Ode to new joy
Gesamtzeit:  45:02
 
Weitere Informationen:  www.joscho-stephan.de  -  www.marcus-schinkel.de