Über Berufe

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch

Über Berufe
 
Ein Beruf kann eine Berufung sein. Es gibt aber auch Berufe, die fördern nicht unsere natürlichen Anlagen. Wollten wir nicht alle als Kind Cowboy werden und mußten dann erkennen, daß es für diesen Beruf kaum Einsatzmöglichkeiten gibt?
Besser ist es, man wird Arzt. Ein Taschentuch hat man schnell zur Hand und kann anderen die Nase putzen. Krank sein kann jeder. Wer sich von einem Arzt die Nase putzen läßt, muß dafür tief in die Tasche greifen. Auch junge, gut aussehende Menschen, die ein schnelles Auto fahren, brauchen manchmal einen Arzt. Manche sind sogar selbst Arzt und haben in ihrer Freizeit Mumps.
Die Berufswahl wirft viele Fragen auf: Warum müssen Bäcker ihren Kuchen mögen? Manche Bäcker haben den Betrieb von ihrem Vater geerbt und wären eigentlich lieber Beamter geworden. Da müssen sie nicht früh aufstehen und können den ganzen Tag liegen bleiben. Ich kannte einen vegetarischen Fleischer, der hieß nur Fleischer. Er war eigentlich Steuerprüfer. Bei Steuerprüfern ist es durchaus üblich, Veganer zu sein, denn Hähnchenschenkel kann man nicht absetzen, außer man ißt sie auf der Bühne in der Rolle des Handlungsreisenden. Wenn Bauarbeiter während der Arbeitszeit gute Laune haben, ist meistens etwas faul.
Als Lehrer sollte man klagen können, sonst nimmt einen keiner ernst. Man sagt in dem Beruf nicht einfach nur „Ich gehe nach Hause“, sondern, „Ich gehe nach Hause um noch Arbeiten zu korrigieren.“ Ich kannte einen Lehrer, der während seiner Hochzeit kurz verschwand, weil er ein Elterngespräch hatte. Okay, es waren die Eltern seiner Braut, aber trotzdem hat er sie nie versetzt. Auch Lehrer waren mal Schüler und sind trotzdem Lehrer geworden. Das ist beunruhigend. Wer klug ist bleibt Schüler und lümmelt sich in den Pausen in den Raucherecken rum. Das ist Freiheit.