„Es muß wieder eine Ordnung werden!“

R.W. Fassbinders „Katzelmacher“ am Bergischen Uni-Theater

von Frank Becker

v.l.: Marc Busch, Erich-Gabriel Suso, Sebastian Berg - Foto © Martin Wosnitza

„Es muß wieder eine Ordnung werden!“
 
R.W. Fassbinders „Katzelmacher“
am Bergischen Uni-Theater
 
 
Regie: Michelle MiddelhoffRegieassistenz: Robin Köster – Inszenierung: Charlotte Jäckle, Frida SteinLicht: Benjamin Blum – Bühnenbild: Frank Zobel - Fotos: Martin Wosnitza
Besetzung: Verena von der Linde (Elisabeth) – Nadine Reubsaet (Gunda) – Yvonne Schnickmann (Helga) – Deborah Trust (Ingrid) – Katrin Pfeiffer (Marie) – Marcus Walter (Jorgos) – Dardan Ramadani (Bruno) – Sebastian Berg (Erich) – Erich-Gabriel Suslo (Franz) – Marc Busch (Paul)
 
Was dem Wiener der Tschusch ist, ist dem Bayern der Katzelmacher, der für minderwertig gehaltene Gast- oder Fremdarbeiter aus dem südlichen Europa, den man nicht versteht, weil man ihn nicht verstehen will und den man ausgrenzt, weil er „anders“ ist.
1968, als Gastarbeiter zumindest in Bayern noch Fremdarbeiter hießen, schrieb Rainer Werner Fassbinder sein unter veränderten Voraussetzungen thematisch bis heute gültiges Drama „Katzelmacher“ - ein Zeitdokument, das die Zeit überdauert hat. 
 

v.l.: Nadiene Reubsaet, Yvonne Schnickmann, Deborah Trust, Marc Busch - Foto © Martin Wosnitza

     Der Grieche Jorgos (durch leise Töne überzeugend: Marcus Walter) kommt in eine niederbairische Kleinstadt, in der die jungen, arbeitslosen Leute ohne Perspektive, aber mit Träumen „abhängen“. Er hat schlecht bezahlte Arbeit bei Elisabeth (Verena van der Linde) angenommen, die ihn übel ausbeutet, ihm gleichzeitig aber unverhohlen Avancen macht. Durch seine männliche Attraktion zieht er das Verlangen der frustrierten Weiblichkeit und dadurch den Zorn der düpierten Platzhirsche (Sebastian Berg, Erich-Gabriel Suso, Marc Busch) auf sich. Als die zurückgewiesene Gunda (Nadine Reubsaet) mit dem Vorwurf einer Beinahe-Vergewaltigung einen Stein lostritt, das Wort vom Totschlagen aufbringt und wegen einer romantischen Affäre mit Marie (Katrin Pfeiffer) entlädt sich, nachdem Elisabeth ihn sogar in die Heilige Messe mitbringt, die Biertisch-Wut der Burschen in einer gemeinen Schlägerei, an der sich alle Kerle beteiligen und der alle Frauen außer Marie zuschauen. Jorgos bleibt als Opfer schwer verletzt auf der Strecke. Doch ihr Ziel, den „Katzelmacher“ zu verjagen, erreichen sie nicht. Er bleibt in vergifteter Atmosphäre und geht erst, als ihm ein Türke als Kollege zugeteilt werden soll. Da zeigt er, daß jeder seine Achillesferse, seinen Katzelmacher hat: „Türk nix gut“.
 

Marcus Walter, Katrin Pfeiffer - Foto © Martin Wosnitza

     Dem Theater-Ensemble der Wuppertaler Universität unter Michelle Middelhoff gelingt es, in wechselnden Konstellationen und mit dem Kunstgriff, Szenen anzuhalten, die kleinen individuellen Tragödien und den stumpfen Kleinstadtmief schwadronierender biertrinkender Burschen (explosiv: Sebastian Berg als Erich) mit integrierter Dorfnutte im Leopardenstretch (wunderbar lasziv: Nadine Reubsaet), mit der betrogenen Kleinstadt-Friseuse Ingrid, die von einer Schlager-Karriere träumt (bedauernswert realistisch: Deborah Trust) und der tragischen Figur der ungewollt schwangeren Helga (fein angelegt: Yvonne Schnickmann), die ihr Kind verliert, sicht- und fühlbar zu machen. Berührend die perspektivlose Liebe, an die sich Marie in ihrem Traum endlich von dort fortzukommen klammert - Katrin Pfeiffer zeigt eine starke Leistung.
Sie schaffen es aber auch, den subtilen Humor Fassbinders umzusetzen, der in Jorgos nicht nur das Opferlamm gezeichnet hat, sondern durchaus ein auf seinen Vorteil bedachtes Schlitzohr, das sich oft genug mit gut plaziertem „Nix verstehn“ aus der Affäre zieht.
Was zurückbleibt, sind ein bitterer Nachgeschmack und zerstörte Träume – für alle.


Ensemble - Foto © Martin Wosnitza

Heute Abend, 19.30 gibt es die Derniere im Hörsaal 33 der Universität Wuppertal.