Er kann uns überraschen, verblüffen und hinreißen - diesmal nicht.

„Glass“ von M. Night Shyamalan

von Renate Wagner

Glass
(USA 2019)

Regie: M. Night Shyamalan
Mit: James McAvoy, Bruce Willis, Samuel L. Jackson u.a.
 
Man kommt bei „Glass“ um Erklärungen nicht herum, wenngleich man den Film vielleicht auch voraussetzungslos sehen kann. Er wird nicht schlechter, aber auch nicht wirklich besser, wenn man die Zusammenhänge kennt. Die beziehen sich auf M. Night Shyamalan (48, viel beachteter amerikanischer Regisseur indischer Herkunft) und das, was er schon gezeigt hat. Und da gerade dieser Könner eine Fangemeinde hat (ungeachtet mancher Enttäuschung, die er ihnen schon bereitet hat), werden viele auf Anhieb erkennen, worum es geht – wenn die Vorgeschichte auch länger zurück reicht.
Freilich, das Beste, was M. Night Shyamalan je gemacht hat, ist einmalig geblieben, damals, als er 1999 Bruce Willis in „The Sixth Sense“ sterben und als Untoten durch die Welt irren ließ, ohne sich selbst seines Nicht-mehr-Seins bewußt zu sein: Nur ein kleiner, medial veranlagter Junge konnte ihn sehen und mit ihm kommunizieren… und das Publikum mußte nach und nach mit Willis erkennen, daß er nicht mehr lebt. Das war die wahre, die totale Gänsehaut – und auf allerhöchstem Niveau.
Dann kam 2000 „Unbreakable“, wo Bruce Willis ein Eisenbahnunglück überlebt und meint – ebenso wie der von Samuel L. Jackson dargestellte Sammler von Comics –, daß er wohl übernatürliche Kräfte besäße. Filme anderer Art folgten (Mel Gibson und die Kornkreise in „Signs“, 2002, oder „The Village“, 2004, das von tödlichen Geheimnissen umgebene Dorf), eher Enttäuschungen. Bis Shyamalan, um einiges später, mit „Split“ (2016) wieder in die Welt der Menschen zurückkehrte, die sich quasi als Comic-Helden sehen und übernatürliche Kräfte zuschreiben – immerhin durfte James McAvoy damals das Kunststück abspulen, 24 verschiedene Persönlichkeiten von der Leinwand grinsen zu lassen. Was erst faszinierte und nachgerade langweilig wurde.
 
     Und geht es „Glass“ nicht ebenso? Diesmal sind die drei aus „Unbreakable“ und „Split“ beisammen – Bruce Willis als David Dunn, der als „der Gute“ durch die Straßen streift, um die Bösen zu bestrafen; Samuel L. Jackson als Elijah Price, der Massenmörder, der nun im Rollstuhl sitzt und seine übernatürliche Intelligenz zu allerlei Kunststücken benützt; und James McAvoy als multipler Kevin, der immer noch mit den zahllosen Persönlichkeiten unterwegs ist, junge Mädchen zu entführen und zu ermorden…
Shyamalan steckt sie alle zusammen ziemlich schnell ins Irrenhaus, wo dann auffallend wenig passiert (auf die Figur von Willis wird überhaupt fast vergessen), und auch die Frauenfiguren – Psychiaterin (Sarah Paulson – ist sie wirklich wer sie zu sein vorgibt?), Mutter von Elijah Price (Charlayne Woodard), überlebendes Opfer von Kevin (Anya Taylor-Joy) – nicht übertrieben viel beizutragen haben. Nicht einmal die Schlußpointe überrascht.
Unsere drei Verrückten fühlen sich als Comic-Helden, aber tatsächlich ist es mit ihren Kräften nicht weit her, auch wenn sie das titelgebende „Glass“ splittern lassen können und noch ein paar paranormale Dinge tun, so what? Das alles ist gewissermaßen ernüchternd und (vielleicht, weil Shyamalan Bekanntes auswalzt, statt Neues zu bringen) nicht einmal sonderlich interessant. Ungeachtet der drei Hauptdarsteller, die natürlich ihr Potential mitbringen. Aber mit einer echten Story täten sie sich leichter.
 
Also, die Trilogie (pompös benannt: Eastrail 177-Trilogie) ist geschafft, man kann folglich erwartungsvoll, hoffnungsvoll, vertrauensvoll in die Shyamalan-Zukunft blicken – er hat ja bewiesen, daß er uns überraschen, verblüffen und hinreißen kann, auch wenn er es diesmal nicht tut.
 
Trailer   
 
Renate Wagner