Siehst du die Sonne sich im Osten heben?

Ein Foto von Frank Becker - zu einem Sonett

von William Shakespeare

Foto © Frank Becker

Full many a glorious morning have I seen
Flatter the mountain tops with sovereign eye,
Kissing with golden face the meadows green,
Gilding pale streams with heavenly alchemy;
Anon permit the basest clouds to ride
With ugly rack on his celestial face,
And from the forlorn world his visage hide,
Stealing unseen to west with this disgrace:
Even so my sun one early morn did shine,
With all triumphant splendour on my brow;
But out, alack, he was but one hour mine,
The region cloud hath mask’d him from me now.
Yet him for this my love no whit disdaineth;
Suns of the world may stain when heaven’s sun staineth.
 
William Shakespeare, Sonett 33
 
 
Siehst du die Sonne sich im Osten heben?
Im goldnen Licht sind Wald und Flur erwacht.
Ein heitrer Tag verdrängt die dunkle Nacht,
Und aller Kreatur ist Lust gegeben.
 
Doch plötzlich sieht man Nebelschleier schweben,
Der Glanz erlischt, und eh man sich's gedacht,
Schleicht hinter Wolken sich die Sonne sacht
Und blaß hinweg: der Tag ist ohne Leben.
 
Auch meinem Schicksal ward am frühen Morgen
Ein heitrer Sonnenaufgang zugedacht,
Nur eine Stunde, und dann haben Sorgen
Wie Wolken mich um Freud und Licht gebracht.
 
Sei still, mein armes Herz, und dulde fein,
Bis durch die Wolken bricht der Sonne Schein.
 
William Shakespeare, Sonett 33
deutsch von Hans Hübner