Das Bauhaus 1919-1933

bauhaus - bauhaus-archiv berlin Magdalena Droste

von Johannes Vesper

Bauhaus 1919-1933
 
Werkstätten der Moderne
 
Von Johannes Vesper
 
Die Idee des Bauhauses kam nicht aus dem Nichts, es hatte eine Vorgeschichte. Als Reaktion auf Industrialisierung, Mechanisierung, maschinelle Produktionsweise und „Entfremdung“ besann man sich in England in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück auf traditionelle handwerkliche Fertigkeiten. William Morris gründete einflußreiche Werkstätten, die zur Reformierung der handwerklichen Ausbildung und zum Arts-and-Crafts-Stil führte. In England wollte man auf maschinelle Hilfe bei der Herstellung von Möbeln u.a. verzichten, hielt die maschinelle Produktion für minderwertig gegenüber handwerklichen Produktionsweisen. Charles Rennie Mackintosh und seine Frau in Glasgow beförderten mit ihrem Werk gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Entwicklung zur Art Nouveau bzw. zum Jugendstil. Die Ideen griffen auch auf Deutschland und Europa über, und schon 1871 wurde in Berlin das Kunstgewerbemuseum gegründet. Nach dem Aufenthalt von Hermann Muthesius in England (1896-192), der auf Veranlassung der preußischen Regierung englischen Geschmack und englische Produktionen erkunden sollte, gründete man in Deutschland Kunstgewerbeschulen (Stuttgart, Düsseldorf, Berlin). In Weimar leitete der Belgier Henry van der Velde die Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule. Wegen ausländerfeindlicher Tendenzen trat er vor dem 1. Weltkrieg zurück. Aus dem Zusammenschluß der Dresdener und Münchener Werkstätten entstanden 1907 die Deutschen Werkstätten und es wurde der Deutsche Werkbund (DWB) gegründet, für den Qualität und künstlerische Entwürfe im Vordergrund standen. Maschine und Handwerk sollten miteinander versöhnt werden. Mitglieder waren u.a. Josef Maria Olbrich, Wilhelm Kreis und seit 1912 Walter Gropius. In den nationalistischen Zeiten des 1. Weltkriegs wurde der „Sieg der Deutschen Form“ angestrebt.
 
Bauhaus in Weimar 1919-1925
 
Auf Vorschlag von Fritz Mackensen, dem Gründer der Künstlerkolonie Worpswede, damals Professor an der Kunstakademie Weimar, wurde Walter Gropius nach Weimar berufen, um eine Architekturklasse zu gründen und um Kunstgewerbeschule mit der Kunstakademie zum „Staatlichen Bauhaus in Weimar“ zu vereinen. Ob hier die gotischen Bauhütten des Mittelalters Pate gestanden haben? Der Titelholzschnitt des Bauhaus-Manifestes von Lionel Feininger zeigt sinnbildhaft jedenfalls eine gotische Kathedrale. Nach Revolution und Krieg wollte man dort den Bau der Zukunft errichten, alle Künste sollten am Bau mitwirken, forderte der Architekt Bruno Taut, und Otto Bartning, Mitglied des Arbeitsrates Kunst reformierte die Ausbildung der Kunststudenten. Reformerisch revolutionär sollten Volk und Künstler vereint, sollten Standesunterschiede und die Hierarchie geebnet werden.
 

 Bella Ullmann: Von Weiß über die Farben zu Schwarz (Unterricht Kandinsky 1931)

„Kunst ist an sich nicht lehrbar“ - Das expressionistische Bauhaus
 
 „Grundlage für alles bildnerische Schaffen ist die gründliche handwerkliche Ausbildung“. Statt Studenten und Professoren arbeiteten Lehrlinge, Gesellen und Meister am neuen Bauhaus. Erste Meister wurden der Kunstpädagoge und ehemalige Volksschullehrer Johannes Itten, der Maler Lyonel Feininger und der Bildhauer Gerhard Marcks. Bald kamen Georg Muche, Paul Klee, Oskar Schlemmer und 1922 Wassily Kandinsky dazu. Johannes Itten hielt Material- und Farbstudien für besonders wichtig, betrieb vor dem Unterricht Bewegungs- und Atemübungen mit den Lehrlingen, brachte „Gruß und Heile den von Licht und Liebe erleuchteten Herzen“, interpretierte bzw. erlebte mit den Lehrlingen große Gemälde nach. Itten trug die an eine Mönchskutte erinnernde, von ihm entworfene Bauhaustracht, faszinierte als Pädagoge oder wurde gehaßt. Sein Schüler Georg Muche, mit dem er den Unterricht später teilte, hing der Mazdaznan-Lehre an und glaubte, die weiße Rasse stehe auf der höchsten Kulturstufe. Sein „Haus des weißen Mannes“ paßt zu dazu. Mazdaznan war eine zarathustrische, hinduistisch geprägte Pseudoreligion mit Yoga, vegetarischen und anderen Ernährungsempfehlungen. Phasenweise kochte sogar die Bauhausmensa entsprechend Mazdaznan- Rezepten. Regelmäßiges Fasten mit Reinigung des gesamten Darms wurde empfohlen und Sexualverhalten gelehrt. Trotz ideologischer Beziehungen später zum Nationalsozialismus wurde die Bewegung aber 1938 in Deutschland verboten. Itten und Muche wollten mit Mazdaznan Physis und Psyche des Einzelnen harmonisieren und seine Kreativität so fördern. Von dem kruden Gedankenwerk war Gropius zunächst durchaus angetan. Alle jungen Bauhauschüler mußten zunächst durch Ittens Vorbereitungskurse, bevor sie in die Werkstätten gelassen wurden. Den Studierenden ging es unter ökonomischen Gesichtspunkten damals schlecht: nur mit Kleiderspenden und kostenfreien Mittagstischen kamen sie über die Runde, waren froh, wenn sie als Statisten im Theater mal 1 Mark für den Abend erhielten Die Fotografien im Buch zeigen andererseits ausgelassene Studierende bei großen Festen, gehörten doch Fest, Spiel und Arbeit zu den Grundsätzen des Bauhauses. Bei der Gründung kamen etwa gleich viele studierwillige junge Frauen wie junge Männer zum Bauhaus. Den Frauen war in der Weimarer Verfassung zwar unbeschränkte Lernfreiheit garantiert worden; sie wurden als „Malweiber“ aber anscheinend doch nicht recht akzeptiert. Man glaubt weniger an ihre künstlerische, eher an ihre kunstgewerbliche Kompetenz. Wahrscheinlich fürchteten die Männer vor allem ihre Konkurrenz.
 

Judit Kárász: Porträt Otti Berger mit Bauhausfassade Doppelbelichtung 1931/32

1923 verließ Itten das Bauhaus. Er hatte im Gegensatz zu Gropius mit Meditation und Riten nur den schöpferischen harmonischen Menschen bilden wollen und weniger Produktion und Auftragsarbeit im Sinn. Die Vorkurse wurden von Josef Albers und László Moholy-Nagy übernommen, wodurch die Lebenslehre des Mazdaznan und die individuelle Bildung der Persönlichkeit in den Hintergrund traten. Politisch zunächst gestützt von Regierungs- (SPD, USPD, Deutsche Demokratische) und linken Parteien, bröckelte die staatliche Unterstützung, nachdem bei den Wahlen 1924 Rechtsparteien erfolgreich wurden. Die von Gropius verfolgte politische Abstinenz hatte dem Bauhaus nicht genützt. Gropius erhielt die Kündigung und die Haushaltsmittel wurden halbiert.
 
Das Bauhaus in Dessau: Hochschule für Gestaltung 1925-1932
 
Die Weimarer Bauhausmeister kündigten dem Staat Thüringen und erhielten tatsächlich aus mehreren deutschen Städten Angebote für ihr Bauhaus, darunter Frankfurt/Main, Hagen, München Darmstadt, Krefeld, Hamburg und vor allem Dessau. Dessau mit seiner Industrie (vor allem Junkers Flugzeug- und Motorenwerke) benötigte Wohnraum für die Arbeiter. Gropius wollte den Wohnungsbau rationalisieren und vorgefertigte, standardisierte Bauteile verwenden. Schon bald sollte er im Vorort Törten eine Siedlung bauen. Das neue Bauhaus-Schulgebäude mit Studentenwohnheim, Mensa, Aula und Bühne wurde von ihm geplant und errichtet ganz im Sinne von „Bauen als Gestaltung von Lebensvorgängen“ und war wie die Meisterhäuser inklusive ihrer Innenausstattung richtungweisend. Die Innenausstattung aller neuen Gebäude stammte vollständig aus den Bauhauswerkstätten. Marcel Breuer hatte, inspiriert vom Lenker seines Fahrrades, die Stahlrohrmöbel („Sitzmaschinen“) gebaut und später weiter entwickelt, die ihn ihrer Eleganz bis heute stilbildend wirken.
 

Frau mit Schlemmer–Maske in einem der ersten Wassily-Sessel von Marcel Breuer (Foto Erich Consenmüller)

All das hatte die Stadt Dessau unter ihrem sozialdemokratischen Bürgermeister Fritz Hesse finanziert. Die Vielzahl der Aktivitäten in den Bauhauswerkstätten inklusive Lehrpläne wird in dem besprochenen Band ausgiebig dargestellt. Besonders sei hingewiesen auf das Bauhausballett Oskar Schlemmers, dem durch Schematisierung der Tänzer und Baukastenprinzip des Bühnenbildes „die Synthese von Mensch und Marionette“ gelang.
 
Die finanzielle Situation des Bauhauses entwickelte sich aber auch in Dessau nicht günstig. Produktion und Verkauf von Bauhausprodukten blieben hinter den Erwartungen zurück. Die Stadt Dessau und der Staat sprangen nicht wie gehofft finanziell bei. Walter Gropius trat zusammen mit Herbert Bayer und Marcel Breuer sowie Laszlo Maholy-Nagy zurück, und Hannes Meyer aus der Schweiz übernahm die Architektenausbildung bzw. die Leitung des gesamten Bauhauses (1927-1930).


Oskar Schlemmer: Gruppenfoto aller Tänzer des „Triadischen Balletts“ („Wieder Metropol“) 1926 im Berline Metropol-Theater

„Volksbedarf statt Luxusbedarf“
 
Durch dessen Reformen sollten Herstellung und Verkauf von Lampen und Möbeln für den kleinen Geldbeutel -zu dieser Zeit vor allem auch Klapptische und Klappstühle - forciert werden. Es wurden Bauhaustapeten entwickelt und man nahm sich der Werbung an. Radikal bestimmten Funktion und Ökonomie das Bauhausdenken. Kandinsky und Albers als Künstler und Maler fühlten sich durch die Meyerschen Reformen zurückgesetzt. Seit 1927 gab es kommunistische Studenten am Bauhaus und als diese im Karneval 1930 kommunistische Lieder sangen, schlug die Rechtspresse zu und die sangesfreudigen Studenten flogen von der Hochschule. Meyer wurde für den Eklat verantwortlich gemacht und öffentlich angegriffen. Er trat von sich aus zurück, um einer fristlosen Kündigung zuvorzukommen, ging mit einer roten Bauhaus-Brigade nach Moskau, und Mies van der Rohe folgte ihm als Leiter der Hochschule nach.
 
Zweckfreie Architektur Mies van der Rohes
 
Mit dem Entwurf des deutschen Pavillons auf der internationalen Bauausstellung Barcelona hatte er „die Architektur von jeder Zweckaufgabe entbunden“, galt als renommiert und geeignet für die Nachfolge. Unter seiner autoritären Leitung wurden unliebsame Studenten relegiert, die studentische Mitbestimmung wurde abgeschafft, jede politische Aktivität am Bauhaus untersagt und selbst das Rauchen verboten. Die

Scherzfoto eines unbekannten Bauhaus-Studenten
Hochschule entwickelte sich zu einer reinen Architekturschule, und die idealistische Bauhauspädagogik von 1919 mit ihrer Entwicklung zum ganzen schöpferischen Menschen war am Ende. Die Werkstätten produzierten nichts mehr für einen direkten Verkauf, sondern bauten Modelle für die Industrie. Trotz der Maßnahmen von Mies van der Rohe blieben aber kommunistische Studenten am Bauhaus aktiv, was bei zunehmendem Rechtsruck in Stadt und Land bei den Wahlen von 1930 den Druck auf das Bauhaus erhöhte. Ernst wurde es, als in Weimar von der Nazi-Regierung die Bilder von Bauhauskünstlern aus dem Landesmuseum entfernt wurden. Bei den Wahlen in Dessau 1931 und 32 traten die Nationalsozialisten mit Parolen gegen die „bolschewistische“ Hochschule an und forderten die Streichung sämtlicher Mittel. Als sie dann die Mehrheit im Stadtparlament hatten, wurde das Bauhaus trotz laufender Verträge mit den Professoren, u.a. mit Mies van der Rohe, geschlossen. Eine Petition zugunsten Mies van der Rohes, der als deutscher Baumeister die Jugend weiter erziehen sollte, wurde vom Psychiater Hans Prinzhorn initiiert und von berühmten Architekten der Zeit unterschrieben u.a. Peter Behrends, Wilhelm Kreis, Paul Bonatz. Sie blieb erfolglos.
Nach der Schließung in Dessau versuchte Mies van der Rohe in einer stillgelegten Telefonfabrik in Berlin-Steglitz das Bauhaus als private Schule fortzuführen. Anscheinend war der Bauhausstil für Nazi-Deutschland aber zu wenig deutsch und strahlte zu weit international aus. Dabei war die Bauhaus-Reduktion der Gebrauchswelt auf Funktion und Ökonomie damals eigentlich interessant. Fritz Ertl, 1928-31 am Bauhaus, nutzte später die Standardisierung und Rationalisierung der Bautechnik für die Barackenproduktion in Konzentrationslagern. Wie dem auch sei, der Nazi-Druck nahm jedenfalls zu. So beschlossen am 19. Juli 1932 die verbliebenen Meister die Auflösung des Bauhauses.
 
Die Erstveröffentlichung dieses Werkes (1990) wurde in elf Sprachen übersetzt. Magdalene Droste, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bauhaus-Archivs/Museum für Gestaltung 1980-1997 und als Professorin an der BTU Cottbus (emeritiert 2017) intensiv mit der Geschichte und Wirkung des Bauhauses beschäftigt hat, hat jetzt die Neuauflage zum 100jährigen Jubiläum des Bauhauses die Ideen- und Zeitgeschichte desselben erneut selbst besorgt. Umfangreich und informativ werden die aufregende 14jährige Geschichte des Bauhauses und seine Ursprünge in dem prächtigen Band mit reicher Bebilderung sachkundig dargestellt. Im Anhang finden sich ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie ein ausführliches Register. Erläuternde Anmerkungen und Hinweise sowie Kurzbiographien wichtiger Bauhausmeister ergänzen das wichtige Werk, welches die Bedeutung des Bauhauses und damit den deutschen Beitrag zu modernem Design und zeitgenössischer Architektur behandelt. Andere Quellen der Moderne wie Frank Lloyd Wright (1867 -1959) oder Le Corbusier (1887-1965) sind nicht Thema des Buches. Die Ausstrahlung des Bauhauses bis hin in die Gegenwart wird nur gestreift, wobei der Entwurf des Umbaus eines Geschäftshauses in Dessau 1931 mit Zerstörung der historischen Fassade die brutalen Nachkriegsbausünden der 50er und 60er Jahre vorausahnen läßt.
 

Bauhaus - Ansicht des Bauhausgebäudes von Südwesten - Foto: Atlantis-foto
 
bauhaus 1919-1933 - bauhaus-archiv berlin magdalena droste.
Herausgegeben vom Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung, Berlin (Dr. A. Jaeggi, verantwortlich.) © 2019 TASCHEN GmbH / © Originalausgabe 1990 Benedikt Taschen Verlag GmbH, 399 Seiten, gebunden, 34,5 x 25 x 4.5 cm, - ISBN 978-3-8365-7279-8,
40,- € 
oder als Kompaktausgabe (Bibliotheca Universalis) 552 Seiten, 575 Abbildungen ISBN978-3-8365-6551-6
15,- €
 
Weitere Informationen: www.taschen.com
 
Alle Abbildungen mit freundlicher Erlaubnis des Taschen Verlages - Redaktion: Frank Becker