Machttaktische Manipulationen

„Ein königlicher Tausch“ von Marc Dugain

von Renate Wagner

Ein königlicher Tausch
(L’Échange des princesses - Frankreich 2017)

Regie: Marc Dugain
Mit: Lambert Wilson, Igor van Dessel, Anamaria Vertolomei, Juliane Lepoureau, Maya Sansa, Kacey Mottet-Klein, Olivier Gourmet, Andrea Ferreol u.a.
 
Was sind das für süße Kinder, die kleinen Infantinnen, Prinzessinnen, Erzherzoginnen, wie sie von den Gemälden herabblicken – die Bilder, die Velasquez von Infantin Margarita Teresa von Spanien gemalt hat, erzählen nur von Niedlichkeit. Nicht davon, daß diese Kinder gehandelt wurden wie Aktien, hin- und hergeschoben zwischen Ländern, um Bündnisse zu schließen, weggeworfen, wenn man sie nicht mehr brauchte.
Die Historikerin Chantal Thomas ist einer spanisch / französischen Doppelhochzeit nachgegangen, die auf beiden Seiten schlecht ausging – und junge Mädchen wurden nicht als Menschen betrachtet, sondern als Dinge, die man zurücksandte, wenn man sie nicht benötigte.
Ein bißchen Geschichte: Die Franzosen hatten den Habsburgern Spanien abgejagt, nun saßen die Bourbonen auch dort auf dem Thron. Das garantierte keinesfalls dauernden Frieden, zumal der spanische König Philipp V. ebenso ein direkter Nachfahre des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. war wie dessen Urenkel, der nun im Kindesalter als Ludwig XV. den französischen Thron bestieg. Um jegliche Ansprüche der Spanier a priori abzupreschen und die verwandtschaftlichen Bande noch enger zu knüpfen, wurde eine Doppelhochzeit vereinbart.
Die 12jährige Louise Élisabeth d’Orléans, Cousine von Ludwig XV., sollte den 14jährigen spanischen Thronfolger Don Luis von Asturien heiraten, während man dessen Halbschwester, die erst vierjährige (!) spanische Infantin und Königstochter Mariana Victoria, als Braut für den zehnjährigen Ludwig XV. nach Paris schickte. 1721 wurden an der Grenze zwischen den beiden Ländern das Kleinkind und das junge Mädchen „ausgetauscht“ und beide in eine ungewisse Zukunft geschickt.
 
Sie sind nicht die einzigen, die dieses Schicksal erlitten (Maria Theresia hat später drei Töchter zu ihnen unbekannten Männern in eine ungewisse Zukunft nach Frankreich, Sizilien und Parma geschickt). Dieser Film fragt danach, wie Kinder sich angesichts der aufgezwungenen Beziehungen fühlen mußten, wie es den Mädchen in der Fremde ging, wie die jungen Männer auf die „Bräute“ reagierten.
Dieser Film ist ein Kostümdrama, das Fragen stellt. Es ist ein Seelen- und Nervenspiel, das sich da entfaltet, wobei Regisseur Marc Dugain auch die Welt der Höfe zeichnet. In Spanien drehte sich alles um den bigotten König Philipp V. (Lambert Wilson) und seine stumm ergebene Gattin Elisabeth Farnese (Maya Sansa). Der Thronfolger Don Luis (eine wunderbare Studie der Schüchternheit: Kacey Mottet-Klein) hatte es mit der Französin nicht gut getroffen: Annamaria Vartolomei (die allerdings eher wie 20 wirkt, die sie tatsächlich ist, als wie 14) spielt die übel gelaunte, störrische, widerspenstige Prinzessin, die überhaupt nicht bereit ist, sich in die spanische Welt und in ihr Schicksal zu fügen. Erst kurz, bevor es zu spät ist, gelingt dem geduldigen Gatten die Annäherung – aber da stirbt er an Pocken. Sie überlebt, keiner braucht sie, keiner mag sie. Und auch, als man sie in die Heimat zurück schickt, wird sie überflüssig sein.
In Paris gab es einen Jungen als König (eine Meisterleistung von Igor van Dessel, der so unsicher und fragend in die Welt blickt), den alle zu manipulieren suchten, vor allem sein Onkel, der Regent und Vater von Louise-Elisabeth (Olivier Gourmet). Hierher kommt das kleine spanische Kind, hinreißend verkörpert von Juliane Lepoureau, die mit ihren Puppen spielt, liebevoll versucht, das Herz des kindlichen Gemahls zu gewinnen, und von Liselotte von der Pfalz (die Mutter des Regenten nennt sich ein „Relikt aus der Ära des Sonnenkönigs“ und wird von Andrea Ferreol verkörpert) vergöttert wird, weil sie so entzückend ist. Es hat ihr nichts genützt – man befand, daß der König nicht mindesten noch ein Dutzend Jahre warten konnte, bis seine Braut auch seine Frau sein konnte, verpackte das kleine Mädchen und schickte sie zurück.
 
Ein königlicher Tausch, schief gelaufen. Ein Toter, eine unnütze Frau, die nie wieder heiratete und jung starb. Immerhin, Ludwig XV., später berühmter Frauenheld, heiratete die polnische Prinzessin Marie Leczinska (und bekam nicht nur von seiner Frau viele Kinder), ebenso wie die kleine Mariana Victoria, die später Königin von Portugal wurde.
Höfe mit ihrem Prunk und ihrer Korruption, Intrigen, letztendlich hilflose Herrscher, in Zeremonielle gepreßt, versuchte Manipulation, Menschen, nach deren Bedürfnissen niemand fragt – der Film zeichnet eine Welt, die niemanden auf die Idee bringen würde, es sei begehrenswert, „Prinzessin“ zu sein. Normale Menschen haben es leichter, und ihre Chancen auf Glück sind erheblich höher.
 
 
Renate Wagner