Mehr und anders was als nur ein gewöhnlicher Gewalt-Krimi

„Hard Power“ von Hans Petter Moland

von Renate Wagner

Hard Power
(USA - 2019)

Regie: Hans Petter Moland
Mit: Liam Neeson, Tom Bateman, Nicholas Holmes, Laura Dern,
Tom Jackson, William Forsyth u.a.
 
Wahrscheinlich würde man einem Film wie diesem keine besondere Aufmerksamkeit zuwenden, hätte er nicht die allerschlimmste Publicity erhalten. Liam Neeson, in den letzten Jahren fast ausschließlich zum Action-Helden „herabgekommen“, spielt hier einen Vater, dessen Sohn im Auftrag eines Drogenbosses kaltblütig umgebracht wurde. Und er setzt nun („ein Mann sieht Rot“ ist ja allgemein verständliche Regung, wenn es um die nächsten und liebsten Menschen geht) zu einem brutalen Rachefeldzug an. Um dergleichen bei den Promotions-Gesprächen zu dem Film einsichtig zu machen, erinnerte sich Neeson, daß er selbst in seiner Jugend einmal Lust hatte, die Vergewaltigung einer Freundin zu rächen. Und er wollte das, da der Vergewaltiger ein Afroamerikaner war, an einem „schwarzen Bastard“ tun. Wenn es je einen Shitstorm gab…
Der Film hat kein Rassenproblem, Indianer sind so gut oder schlecht wie alle, er hat nur eines mit bösen Menschen. Man erinnert sich übrigens an die norwegische Vorlage, „Einer nach dem anderen“ aus dem Jahr 2014, die man damals schon nicht übersehen konnte, weil Bruno Ganz darin einen alten Gangster spielte. Hans Petter Moland inszenierte damals mit Stellan Skarsgard in der Rolle des rächenden Vaters, und weil Hollywood dieses brutale Drama offenbar so gefiel, hat man den Norweger gleich für sein eigenes Remake engagiert. Nun ist „Hard Powder“ angesagt.
 
Schnee, hoher Schnee, riesig hoher Schnee ist ein dramaturgisches Element dieser Geschichte, die in dem Ort Kehoe in den Rocky Mountains spielt, und Nels Coxman, von Liam Neeson anfangs (und auch später) ruhig und undurchdringlich gespielt, ist Schneepflugfahrer. Das sind Riesendinger, mit denen man allerhand anstellen kann, wenn man denn will (und er will). Denn sobald Nels (der auch mit den Depressionen seiner von Laura Dern gespielten Frau zu kämpfen hat) an der Leiche seines Sohnes steht, der angeblich an einer Überdosis gestorben ist, obwohl er weiß, daß sein Sohn kein Rauschgift genommen hat…will er. Der Sohn hat sich nur mit den falschen Leuten eingelassen. Da muß Nels (wie er meint), die Gerechtigkeit in seine eigene Hand nehmen. Niemand wird es angesichts der Macht, die der Drogenboß mit dem Spitznamen Viking (Tom Bateman) verkörpert, nämlich sonst tun.
Systematisch nimmt sich Nels (schaurig einfallsreich in den Methoden jedenfalls, gelegentlich an den tiefschwarzen Humor des norwegischen Originals erinnernd) einen nach dem anderen von der Bande vor, und zuerst verdächtigt ihn niemand. Da denkt man eher, die Indianer (die ihren eigenen Rauschgift-Vertrieb haben) könnten dahinter stecken: White Bull (Tom Jackson) war schon immer ein unguter Rivale von Viking. Ein bißchen mischt die Polizei mit, auch Nels’ Bruder (William Forsyth) spielt mit, aber sie bleiben am Rande.
Dann wird klar, wer sich hier um sich schlägt – spätestens als Nels den kleinen Sohn Ryan von Viking kidnappt. (Auge um Auge…) Nun ist der Kleine ein nicht nur liebenswerter, sondern auch kluger Junge (nicht nur, weil er klassische Musik liebt), um den einem bang wird. Andererseits hat Neeson natürlich die Ausstrahlung eines Mannes, der dem Kind nichts tun wird, aber was weiß man? Spannender als die Morde ist das, was sich zwischen Mann und Jungen abspielt, einem Kind, das sein Vater, wie Nels diesem ins Gesicht schleudern wird, nicht verdient… Davonlaufen aus Nels Hütte würde übrigens nicht funktionieren, der Junge würde erfrieren. Also baut man eine menschliche Verbindung auf – und der Entführer findet sich dabei, dem Kleinen eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen… Der kleine Nicholas Holmes als Ryan ist zweifellos ein Star des Films.
 
In einer Welt, wo zwei Gangs und ein entschlossener Einzelner einander gegenüber stehen, kann es nur zu einem sehr blutigen Finale kommen, wobei der Bagger-Kran von Nels sich wieder ganz gut einsetzen läßt. Regisseur Hans Petter Moland hat in dieser seiner gnadenlosen harten, brutalen US-Fassung der Geschichte zumindest eine menschliche Gegenwelt aufgebaut. Leider scheint am Ende, wenn der echte Papa ins Gras (vielmehr in den Schnee) beißt, das Schicksal des Jungen ungewiß. Der Zuschauer wird verwirrt entlassen, weiß aber, daß ihn in dieser Schlachtplatte nicht zuletzt die Bilder der Schneelandschaft tief beeindruckt haben. Und daß es doch ein bißchen mehr und anders was als nur ein gewöhnlicher Gewalt-Krimi.
 
 
Renate Wagner