Der Abstandhalter

(neue Fassung)

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Der Abstandhalter
 
Abstandhalter haben zu sich selbst ein distanziertes Verhältnis. Sie nehmen sich manchmal wochenlang nicht wahr, als schöbe sie ein Fremder durch den Raum und seufzte. Abstandhalter mögen sich nicht besonders, ihr Gottvertrauen ist gespielt. Die Lücke zwischen ihnen und dem Nächsten wird durch nichts gefüllt. Gestern war sich mal ein Abstandhalter untreu. Keine große Sache, aber geschehen ist es doch. „Ich kann so schlecht nein zu mir sagen“, sagte der Abstandhalter. „Ich halte zu mir selbst Abstand, um nicht von mir ausgenutzt zu werden.“ Er hatte sich einmal umarmt, das war ihm sehr peinlich, zumal er merkte, wie gut ihm das tat. Lydia sagte oft, er müsse mehr Kontakt zu sich halten und alte Verbindungen auffrischen, er würde dann Flügel bekommen. Er mochte sich mal, als er Kind war. Er konnte so schelmisch um die Ecke gucken, da haben die Erwachsenen immer gelacht. Ansonsten hatte er keine Erinnerungen an sich. Seine Mutter sagte mal, er hätte immer bei ihr im Bett liegen wollen. Kann das sein?
 
 
© Erwin Grosche