Energie und Eleganz

„Playlist #1“ - Ausschnitte aus dem Repertoire des Ballet Preljocaj

von Daniel Diekhans

Foto © Jean-Claude Carbonne

Energie und Eleganz
 
„Playlist #1
Programm mit Ausschnitten aus dem Repertoire
des Ballet Preljocaj
 
Choreographie: Angelin Preljocaj - Licht: Bertrand Blayo - Sound: Martin Lecarme
Mit dem Ensemble des Ballet Preljocaj: Déborah Casamatta, Baptiste Coissieu, Margaux Coucharrière, Marius Delcourt, Mirea Delogu, Antoine Dubois, Verity Jacobsen, Florette Jager, Laurent Le Gall, Tommaso Marchignoli, Théa Martin, Victor Martinez Caliz, Nuriya Nagimova

Musik: Georg Friedrich Händel, Arnouar Brahem Trio, Natacha Atlas, Samy Bishaï, Sahba Motallebi, Ludwig van Beethoven, John Cage, Wolfgang Amadeus Mozart, Underworld, Robert Normandeau, Gustav Mahler, 79 D, Sergej Prokofjew
 
Das französische Ballet Preljocaj startete im Remscheider Theater seine Tournee.
 
Angelin Preljocaj ist eine Schlüsselfigur der französischen Tanzszene. Seit den 1980er Jahren beeindruckt er mit Choreografien voller Energie, Präzision und Eleganz. Zugleich schaffen seine Stücke den Spagat zwischen klassischem Stoff und historischer Erfahrung. Etwa wenn er Shakespeares „Romeo und Julia“ in ein modernes totalitäres Regime versetzt. Ausschnitte aus „Romeo und Julia“ finden sich wieder in Preljocajs aktueller Produktion „Playlist #1“. Exklusiv zeigte das Teo Otto Theater die Werkschau aus 25 Jahren – am Start einer Tournee, welche die 13 Tänzer des Ballet Preljocaj in die USA und dann zurück nach Frankreich führen wird.


Foto © Jean-Claude Carbonne

Grundverschiedene Themen und Stimmungen gehen in „Playlist #1“ fließend ineinander über. So läßt sich auch die „Romeo und Julia“-Version von 1996 prägnant zusammenfassen. In einem zerrissenen Kampfanzug trifft hier Romeo auf Julia. Während Prokofjews Ballettmusik Kapriolen schlägt, werden aus tiefen Blicken erste Berührungen, aus schüchternen Bewegungen wird ein wahrer Liebestaumel. Die engumschlungenen Körper drehen sich, als gäbe es keine Schwerkraft. Doch das pure Glück verkehrt sich ins krasse Gegenteil. In einem verzweifelt-wilden Tanz versucht Romeo, der reglosen Julia neues Leben einzuhauchen. Auch dies ist ein schlüssiges Bild. Nur die Selbstmord-Szene – mit einem Rasiermesser als Requisit – wirkt ziemlich plakativ.


Foto © Jean-Claude Carbonne
 
In späteren Stücken hat Preljocaj mit feineren Mitteln gearbeitet. Ebenso beklemmend wie beeindruckend ist das Duett aus „Schneewittchen“ (2008). Da wird ein harmlos-heiterer Tanz zur Falle, und die Partnerin von Schneewittchen entpuppt sich als böse Königin. Der Grusel erreicht seinen Höhepunkt, als sich die Prinzessin buchstäblich in den giftigen Apfel verbeißt und von ihrem Gegenüber wie eine Puppe durch den Raum gewirbelt wird.
 
Zu arabischen Klängen setzt die Compagnie die erotischen Geschichten aus 1001 Nacht um. Ausgangspunkt ist das Solo einer Tänzerin, die allein mit den Bewegungen ihres nackten Rückens für Knistern sorgt. Es folgen Auftritte, bei denen die Herren ihre Herzensdamen nicht nur auf Händen tragen, sondern auch in atemberaubende Höhen stemmen.


Foto © Jean-Claude Carbonne

Bei den Szenen aus „Spectral Evidence“ mochte sich mancher Zuschauer an Arthur Millers „Hexenjagd“ erinnern, das vergangenen Oktober im Teo Otto Theater zu sehen war. Ja, die Hexenprozesse im Amerika des 17. Jahrhunderts lassen sich auch tänzerisch darstellen. Das zeigt eine ausdrucksstarke Solistin, die in die Fänge von Tänzern im Priesterkostüm gerät. Angst, Verzweiflung, Schmerz – die Choreografie bildet jede Emotion ab. Das Kunstblut, das sich langsam auf dem Kleid der Tänzerin ausbreitet, wäre da gar nicht nötig gewesen.
 
Den wohl stärksten Eindruck macht Preljocajs Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg. Stumm baut das Ensemble Stühle auf, als wären sie Festungen, und bezieht dann Position. Sobald die stampfenden Rhythmen der Elektro-Pop-Band Underworld über sie hereinbrechen, springen sich Tänzerinnen und Tänzer mit voller Kraft an, ziehen sich zurück und greifen wieder an. Wer zu Boden geht, muß liegen bleiben, die anderen eilen über sie hinweg. So aggressiv der Kampf war, so ausgeklügelt waren die Abläufe.
 
Weitere Informationen unter www.preljocaj.org