Music, Love & Peace

Mike Evans | Paul Kingsbury – „Woodstock“

von Steffi Engler

Woodstock
 
Chronik eines legendären Musik-Festivals
 
Die Zahl der Bücher, Radiokommentare, Fernsehsendungen und Zeitschriften-Artikel zum legendären Rockfestival in den Catskill Mountains beim Örtchen Woodstock 1969 ist heute kaum noch zu überblicken. Es heißt, daß dieses „Woodstock“ die Manifestation einer Bewegung gewesen sei, die das Zeug gehabt habe, die Welt zu verändern. Daß es nicht so gekommen ist, ist zu bedauern. Oder hat sich seither doch etwas geändert? Ich war damals nicht dabei, war noch nicht mal geboren, weiß aber von der Generation meiner Eltern, daß von Woodstock Impulse ausgegangen sein müssen, die auf lange Sicht etwas im Denken der Menschen bewirkt haben. Es muß also doch etwas dran sein, wenn auch ein kommerzieller Gedanke hinter dem ganzen Konzept stand, das Michael Lang, Joel Rosenman und John Roberts verwiklichten. 50.000 Besucher wurden erwartet, 500.000 kamen. Das ist jetzt denkwürdige 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert her.

Martin Scorcese, der das Vorwort zu einem neuen prachtvollen Bild- und Chronik-Band über das einzigartige, unwiederholbare Wochenende von Woodstock beigesteuert hat, war als junger Mann hinter den Kulissen als Cutter der legendären Filmproduktion dabei. Die Autoren Mike Evans und Paul Kingsbury, ebenfalls Zeitzeugen, gelten als Kenner der Musikszene und haben viele Jahre als Musikjournalisten publiziert.
Es muß Fachjournalisten besonders anläßlich eines solchen Jubiläums einfach reizen den Versuch zu machen, ultimativ über ein Ereignis zu schreiben, bei dem (fast) alles auftrat, was damals in der Rockmusik einen Namen hatte oder auf dem Weg dazu war. Vor rund 500.000 Zuschauern - na gut, die meisten konnten nichts sehen - traten für ganze 18,- US $ Eintrittsgeld Richie Havens, Arlo Guthrie, Ravi Shankar, Jimi Hendrix (der die US-Hymne genial zerlegte), Santana, Canned Heat, Greatful Dead, Janis Joplin, The Who, Joan Baez, Jefferson Airplane, Creedence Clearwater Revival, Country Joe & The Fish, Johnny Winter, Blood, Sweat & Tears, Joe Cocker, Crosby, Stills Nash & Young und viel andere auf. Einige waren damals schon ganz oben, einige lebten danach nicht mehr lange, weil sie unter dem Druck des Erfolgs an Drogen zugrunde gingen – Janis Joplin und Jimi Hendrix  sind vielleicht die berühmtsten darunter - andere begannen in der Folge eine Karriere, die bis heute anhält, wie z.B. die von Joe Cocker.


Woodstock Bathers - © Baron Wolman/fotobaron.com

Es muß ein gigantisches Treiben gewesen sein, damals auf den matschigen Wiesen von Woodstock. Bürgerliche Konventionen wurden abgelegt, man hockte im Schlamm der regendurchweichten Äcker oder wälzte sich darin, gab sich der freien Liebe hin, badetet gemeinsam nackt im von William Filippin angelegten Teich, kiffte und vergaß für drei Tage, daß es eine andere Welt gab. Andere machten das Geschäft ihres Lebens, denn essen, trinken und rauchen wollte jeder. Das mußte herbeigeschafft werden. Und dann die Musik. Was man heute so im Fernsehen oder in Kinofilmen sieht und hört, ist natürlich technisch aufbereitet, aber die Leute haben 1969 in Woodstock einfach geniale Musik gemacht. Das wirkt bis heute nach. Soviel muß man ihnen schon lassen.
Tja, so muß das gewesen sein, damals in Woodstock. Heute ist alles oftmals sehr verklärt und sicher ist vieles auch reine Legende. Aber dabei gewesen wäre sicher auch mancher, der damals mißfällig die Nase rümpfte und manch eine(r) aus den folgenden Generationen träumt davon, so etwas heute noch einmal erleben zu können. Zugegeben: Ich auch.
Perdu, vorbei, kommt nicht wieder. Mike Evans und Paul Kingsbury haben ein bilderreiches Buch daraus gemacht, das viele Stimmen von Zeitzeugen zitiert und das viel über die Künstler, ihre Musik und ihre Auftritte, aber auch das ganze Drumherum erzählt. Ein sehnsuchtsvoller Blick zurück, der einen Eindruck davon vermittelt, wie es gewesen ist, damals. Die 60er Jahre und ihr Lebensgefühl von Love & Peace, das hier vor allem durch die vielen Bilder und Zitate noch einmal auflebt, waren viel mehr als nur ein Jahrzehnt. Wie gerne hätte ich damals schon gelebt! Das Buch bekommt allein schon, weil es mich so für diesen Aufbruch begeistert, der heute der jungen Genaration fehlt, unsere Auszeichnung, den Musenkuß!
 
Mike Evans | Paul Kingsbury – „Woodstock“
Chronik eines legendären Festivals
© 2019 riva Verlag, 287 Seiten, Hardcover, zahllose Fotos, Chronik der drei Tage und des Jahrzehnts, Register, Künstler- und Band-Porträts 
ISBN: 978-3-7423-0826-9
24,99 €
 
Weitere Informationen: www.m-vg.de