Schlag nach bei Shakespeare!

„Kiss Me Kate“ am Wuppertaler Schauspiel

von Frank Becker

An Kuohn, Olaf Haye - Foto © Kai-Uwe Schulte Bunert

Schlag nach bei Shakespeare!
 
Kiss Me Kate, Musikalische Komödie von Samuel und Bella Spewack
Musik und Gesangstexte von Cole Porter, Deutsch von Günter Neumann
 
Mit dem Cole Porter-Musical „Kiss Me Kate“ konnte das Wuppertaler Schauspiel in einer Inszenierung seines Intendanten zum Jahresende einen fulminanten Erfolg feiern.
 
Musikalische Leitung: Thomas Dorsch - Inszenierung: Gerd Leo Leo Kuck - Choreografie: Rosita Steinhauser - Bühnenbild: Siegfried E. Mayer - Kostüme: Miriam Dadel - Dramaturgie: Karin Bohnet, Melanie Schmelcher - Einstudierung der Chöre: Thomas Dorsch, Jaume Miranda Licht: Fredy Deisenroth
Besetzung: Fred Graham / (Petruchio): Olaf Haye - Lilli Vanessi / (Katharina): An Kuohn - Bill Calhoun (Lucentio): Thomas Braus - Ann Lane / (Bianca): Maresa Lühle - Harry Trevor / (Baptista): Hans Richter - Hattie: Katharina Greiß-Müskens - Paul: Marco Agostini - Harrison Howell: Peter K. Hoffmann - Erster Ganove: Andreas Möckel - Zweiter Ganove: Christoph Stegemann - Gremio: Andreas Heichlinger - Hortensio: Nathan Northrup - Ralph, Inspizient: Andreas Heichlinger - Taxifahrerin: Dora F. Brockmann - Hutmacher: Jochen Bauer
Tänzer, Chor der Wuppertaler Bühnen, Sinfonieorchester Wuppertal
 
Theater auf dem Theater ist immer ein besonderer Spaß auch für die Darsteller, die dabei selbstironisch aus dem (ihrem) Bühnenleben schöpfen können. „Kiss Me Kate“ von Samuel und Bella Spewack mit den Songs von Cole Porter ist so ein Stück, das auf mehreren Ebenen den Protagonisten wenigstens zwei Chancen gibt, zu brillieren: im Shakespeare´schen Original und der Rahmenhandlung. Das gelang in Wuppertal in der spritzigen Inszenierung von Gerd-Leo Kuck á la bonheur. Der Intendant, erstmals an seiner Wirkensstätte mit einem Musical befaßt, hatte aber auch nichts ausgelassen, was man an großem Theater aufbieten kann: prachtvolle Kostüme (Miriam Dadel), ein einfallsreiches Bühnenbild (Siegfried E. Mayer), ein großes Ensemble mit Ballett, Chor, Statisterie und bis in die Nebenrollen (Klasse: Andreas Heichlinger als Gremio und Nathan Northrup als Hortensio) inspirierten Darstellern aus Schauspiel und Oper des 3-Sparten-Hauses - wimmelndes Bühnenleben, wie es das Stück verlangt. Das Saxophon-verstärkte Wuppertaler Opernorchester unter Thomas Dorsch bewies sich zudem als hervorragendes Jazz-Unterhaltungsorchester.
 
Die deutsche Text-Fassung des großen Kabarettisten Günter Neumann (Kabarett der Komiker, Katakombe, Die Insulaner, Stachelschweine, Wühlmäuse u.a.) ist zu der verzwickt komischen Handlung zwischen Globe und Off-Broadway ein weiterer Garant für beste Unterhaltung. Die Aufzählung der Hits, mit denen Cole Porters schwungvolle Bearbeitung von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ (der Schwan von Stratford ist in der Szene „We open in Venice“ auf dem Bollerwagen mit dabei) seit seiner Broadway-Premiere 1948 wuchern kann, reiht unsterbliche Evergreens aneinander, die seither wirklich die Spatzen von den Dächern pfeifen. „Premierenfieber“ („Another Op´nin´, Another Show“) ist ungezählte Male auch anderenorts zitiert worden, der Walzer „Wunderbar“ ein Mitsummer, den man tief im Ohr verankert mit nach Hause nimmt, das fingerschnippende „It´s darn too hot“ („Viel zu heiß“) wurde in der Choreographie von Rosita Steinhauser zur mitreißenden Ensemble-Tanznummer und „Wo ist die liebestolle Zeit?“ wie seine anderen Songs zum Triumph des hervorragenden Olaf Haye (der sich vor Howard Keel nicht verstecken muß) als Fred Graham/Petruccio. An Kuohn an seiner Seite gab mit Verve eine charmant kratzbürstige Lilli Vanessi/Katharina, deren „Kampf dem Mann“ ihr ebenso auf den Leib geschrieben war, wie die Resignation vor der großen Liebe zu ihrem Geschiedenen, mit dem sie schließlich wieder zusammenfindet.
 
Paare gibt es reichlich in diesem Stück: Hattie (Katharina Greiß-Müskens) und Paul (Marco Agostini) agieren am Rande, aber unverzichtbar, Ann Lane/Bianca (Maresa Lühle mit einer köstlichen Katastrophe von Kostüm!) und Bill Calhoun/Lucentio (Thomas Braus) – sie alle finden sich. Ein rares Kabinettstück, das besondere Erwähnung verdient, lieferte Wuppertals profiliertester Charakterdarsteller Hans Richter mit seinem meisterlich gegebenen Harry Trevor/Baptista als köstlicher Schacherer und Geizhals – ein Schmankerl dieses Komödianten von Gnaden! Natürlich wartet man seit Wolfgang Neuss/Wolfgang Müller auch gespannt auf „Schlag nach bei Shakespeare“, mit dem geflügelten Refrain. Die beiden Filmkomiker haben Maßstäbe gesetzt, die kaum mehr zu erreichen sein werden. Der Song war in dieser Inszenierung etwas gequält plaziert, doch Andreas Möckel und Christoph Stegemann konnten nach ihrer mit Witz verkörperten Darstellung der beiden bildungsbeflissenen Gangster auch hier viel Sympathie ernten. Die stehenden Ovationen für Inszenierung und Personal – weit über die Applausordnung hinaus - hatten durchaus Berechtigung.
 
Spieldauer ca. 2½ Stunden – Eine Pause
Die nächsten Vorstellungen: 26.12.05, 8.1.,29.1., 1.2., 3.2. und 11.2.06.
 
Frank Becker, 13.12.05