Basisch

Katrine Engberg – „Blutmond“

von Frank Becker

Basisch
 
Der zweite Fall für Jeppe Kørner und Anette Werner
 
Jeppe Kørner und Anette Werner von der Kopenhagener Mordkommission kennen wir bereits durch Katrine Engbergs Erstling „Krokodilwächter“. Sie sind ein erfahrenes und gut eingespieltes Ermittler-Duo, mit einem effektiven Team an ihrer Seite, das wie geölt funktioniert. Hatten sie ihren ersten Fall in der brütenden Hitze des Sommers zu lösen, macht ihnen in „Blutmond“ die scharfe Kälte des Winters zu schaffen, zumal im Kopenhagener Präsidium die Heizung nicht funktioniert. Jeppe ist zurück aus einem längeren Urlaub in Australien, mit dem er seine Scheidung überwinden wollte. Eine neue, blutjunge Freundin hat er zum Trost mit zurück gebracht.

     Es ist eine klirrend kalte Januar-Nacht, als im Kopenhagener Ørstedspark vor den Füßen der afrikanischen Prostituierten Delilah und ihres Kunden ein Mann röchelnd zusammenbricht und stirbt. Der Freier macht sich ohne zu bezahlen aus dem Staub und Delilah hält sich an der Brieftasche und der teuren Armbanduhr des Toten schadlos. Entgegen der ersten Annahme der Polizei, der Mann sei ein Obdachloser, stellt sich schnell heraus, daß es sich um den bekannten Mode-Designer Alpha Bartholdy handelt. Und er ist auch nicht im Suff erfroren, sondern perfide mit Abflußreiniger in einem Drink vergiftet worden, als er nebenan mit den Größen der Modewelt die Copenhagen Fashion Week eingeläutet hat.
Jeppe wird sogleich tiefer in den Fall hineingezogen als ihm recht sein kann, denn sein bester Freund, der Schauspieler Johannes Ledmark ist seit dem grausamen Mord an Bartholdy unauffindbar und der erste Tatverdächtige. Als wenige Tage später auf die gleiche Art und Weise eine Sängerin aus dem Club der Schönen und Eleganten vergiftet wird, ist klar, daß  ein Zusammenhang bestehen muß. Wo ist die Querverbindung?

     Katrine Engbergs durch viel Personal und Verwicklungen anfangs kompliziert aufgebauter Roman kommt schnell in Schwung, entwickelt sich trotz noch mehr Figuren und Komplikationen zu einem packenden Thriller, einem attraktiven „Page-turner“. Krumme Geschäfte, homosexuelle Affären und eine Radiosendung bringen eine Reihe weiterer Spuren und etliche Verdächtige mehr auf den Plan. Und hier kommen die emeritierten Professorin und Krimi-Autorin Esther de Laurenti sowie ihr alter Untermieter Gregers zum Zug, die Jeppe aus dem vorigen Fall kennt und die ihm jetzt mit Internet- und Podcast-Recherchen äußerst hilfreich unter die Arme greifen.Als auch Johannes Ledmark Opfer eines Anschlags wird, aber überlebt, werden die Zusammenhänge deutlich.
Einzig vernachlässigte Ermittlungsansätze (wie z.B. die nicht verfolgte Spur der gestohlenen Luxus-Uhr des ersten Opfers) und die unrealistisch konstruierten Fehler der Ermittler (wie kann man alleine Verdächtige befragen, zumal nachts, bzw. wie kann ein Chef seine Kollegin mit einem Mordverdächtigen allein lassen, um zu telefonieren?) können den gewieften Krimi-Leser ebenso vergrätzen wie der einerseits etwas an den Haaren herbeigezogene dramatische und andererseits wenig versöhnliche Schluß.
 
     Das Privatleben der beiden zentralen Polizisten spielt zwar wieder eine Rolle, ist aber wie schon in „Krokodilwächter“ nicht so breit ausgewalzt wie es heute so beliebt ist. Der Fall bleibt im Mittelpunkt. Jeppe kommt seiner Kollegin Sara Saidini näher, fühlt sich wohl dabei und kneift dennoch. Seine Scheidung geht freundschaftlich über die Bühne, Kollegin Anettes Kreislauf kollabiert und sie wartet mit einer Überraschung auf – und am Ende sieht manches für unsere Kriminalisten ziemlich gut aus. Diese Romanfiguren wollen wir trotz aller Unzulänglichkeiten gerne wieder ermitteln lassen.
 
Katrine Engberg – „Blutmond“
Ein Kopenhagen-Thriller
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
© 2019 Diogenes Verlag, 480 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag - ISBN: 978-3-257-07058-3
24,- € (D) / sFr 32,- / 24,70 € (A)

Weitere Informationen:  www.diogenes.ch