Erzählen in Bildern

Edward von Steinle und Leopold Bode - Märchen und Sagen in Gemälden der Romantik

Red./Are/Bec

Erzählen in Bildern

Edward von Steinle und Leopold Bode
Märchen und Sagen in Gemälden der Romantik
Clemens-Sels-Museum Neuss 7.April – 30. Juni 2019
 
Edward (Eduard) von Steinle (1810–1886) und Leopold Bode (1831–1906) stehen mit ihren Werken für eine Malweise, die bis ins späte 19. Jahrhunderts großen Zuspruch fand und deren Bildsprache sich bis weit ins 20. Jahrhundert fortsetzt. Steinle zählte zu den führenden nazarenischen Malern der zweiten Generation, nach Peter Cornelius und Friedrich Overbeck, deren Freund und Schüler er war. Der gebürtige Wiener lebte ab 1839 in Frankfurt am Main, wo er ab 1850 Professor für Historienmalerei am Städelschen Kunstinstitut und einer der meistbeschäftigten Maler religiöser Bilder in Deutschland war. Der in Offenbach am Main geborene Bode war Schüler und zeitweiliger Mitarbeiter Steinles bei Großprojekten wie den Fresken im ersten Wallraf-Richartz-Museum. In der Ausstellung des Clemens Sels Museums Neuss werden Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen mit Motiven aus Sagen und Märchen des Mittelalters und der Romantik präsentiert. Mit Bildern aus diesem Themenbereich haben Steinle wie auch Bode einige ihrer schönsten Werke geschaffen.
 
Literatur und Malerei
 
Für die Ausstellung – die erste zu diesen beiden Künstlern überhaupt – ist es gelungen, knapp vierzig Bilder und Bilderzyklen zusammenzutragen. Darunter wertvolle Leihgaben aus namhaften Sammlungen wie dem Städel Museum, dem Berliner Kupferstichkabinett und aus der reichen Sammlung des Münchner Kooperationspartners, der Sammlung Schack. Für den Begründer der einzigartigen Sammlung, den Münchner Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894), selbst Dichter und Übersetzer, war Literatur ein Lebenselixier, und auch die Malerei galt ihm nur als Kunst, wenn sie „von poetischem Geist durchdrungen“ war. Schack war mit beiden Künstlern bekannt und sammelte mit großer Leidenschaft ihre Werke. Die Ausstellung lädt den Betrachter dazu ein, in eine Bilderwelt einzutauchen, die seit Jahrzehnten untergegangen schien und vergessen war. Die märchenhaften Bilder laden den Betrachter dazu ein, die Bilderzählungen zu lesen und die beiden Maler als Dichter zu entdecken.
 
Shakespeare, Brentano und die Brüder Grimm in Bilderzyklen
 
Durch Edward von Steinles freundschaftliche Beziehung zu dem Dichter Clemens Brentano fanden literarische Stoffe Eingang in sein Werk. Brentanos Märchen und Erzählungen, später auch die Komödien William Shakespeares, die Märchen der Brüder Grimm und Wolfram von Eschenbachs Epos „Parzival“ gaben die Anregung zu Bildern und Bilderzyklen, die zu den bemerkenswertesten Kompositionen der deutschen Malerei auf dem Gebiet des erzählenden Bildes gehören. In feinsinnigen, detailreichen Arrangements versucht Steinle, die Essenz der literarischen Vorlagen aufzuspüren, ohne in eine reine Illustrationskunst abzugleiten. Die Aquarelle und Ölgemälde sind Bildschöpfungen eigenen Ranges und Charakters, der Maler wird selbst zum Dichter und Exegeten der Werke. Leopold Bode hat sich ab den 1870er-Jahren ganz auf das Märchen- und Sagenbild spezialisiert. In Bilderzyklen und Mehrfeldbildern hat er Stoffe aus Shakespeares Komödien, den Sagen um Kaiser Karl den Großen und mittelalterlichen Epen dargestellt. In seinen Werken entwickelt Bode einen spezifischen Märchenton, der das Zauberische in den Stoffen Shakespeares oder das Sagenhafte der mittelalterlichen Epen erfasst.


  Edward von Steinle Schneewittchen bei den Zwergen, 1872
 

Das Rheinland – Wirkungsstätte mit Folgen
 
Die Ausstellung konzentriert sich vor allem auf die Märchen- und Sagenbilder der beiden Maler. In Neuss öffnet sich das in Kooperation mit den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen realisierte Ausstellungsprojekt einem weiteren Themenbereich: das umfassende Wirken der Künstler im Rheinland. Ab den 1830er Jahren ergingen große Aufträge an Edward von Steinle, bei denen er auf die Mithilfe vertrauenswürdiger Mitarbeiter angewiesen war. Über Jahrzehnte betreute Leopold Bode, als enger Vertrauter seines Lehrers, verschiedene Baustellen, auf denen umfangreiche Wandmalereien – oft über mehrere Jahre – ausgeführt wurden. Zu den prominentesten Beispielen zählen die Ausmalungen im Hochchor des Kölner Doms und im alten Wallraf Richartz Museum. Doch auch in Neuss selbst haben die Künstler Spuren hinterlassen. Beide lieferten Entwürfe zu Ausmalungen für das Quirinus-Münster, die jedoch heute nicht mehr nachweisbar sind. Noch erhalten sind die beeindruckenden Entwürfe Steinles für die Fenster im Chor der Kirche St. Stephanus in Neuss-Grefrath. Für die Ausstellung wurden die großformatigen Aquarelle frisch restauriert und werden nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.


  Leopold Bode, Berglied, nach Schiller 1881

 
Repräsentative Sammlerstücke
 
Steinle und Bode haben ihre subtil ausgeführten Aquarelle und Ölgemälde in prachtvolle, von Architekten entworfene Goldrahmen montiert und damit repräsentative Schaustücke geschaffen, die von Adel und wohlhabendem Bürgertum erworben wurden. Bis heute befinden sich viele dieser Werke in Privatbesitz, nur wenige gelangten in öffentliche Sammlungen.
 
Zahlreiche wieder- und neu entdeckte Werke
 
Beide Künstler sind heute nahezu vergessen und werden in dieser Ausstellung wieder entdeckt, und es werden zahlreiche Werke gezeigt, die noch nie oder zumindest seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr öffentlich ausgestellt waren. Zu den schönsten Wiederentdeckungen gehört der große Aquarellzyklus nach den Erzählungen von Clemens Brentano, den Steinle 1854 für den Neffen des Dichters, Carl von Guaita gemalt hat – eines der Hauptwerke des Künstlers. In der Ausstellung sind erstmals drei der ehemals sechs Kartons wieder vereint.

 
  Edward von Steinle, Je länger je lieber, 1867

Rekonstruktion des Rahmens eines Hauptwerkes
 
Nicht nur die Œuvres der beiden Künstler wurden erforscht, auch an den Werken selbst wurden nachhaltige Verbesserungen vorgenommen. Das Hauptwerk Bodes in der Sammlung Schack ist das Triptychon „Pippin und Bertha“, das von der Herkunft und Kindheitsgeschichte Kaiser Karls des Großen erzählt. Schack hat es 1876 vom Künstler erworben und dafür einen prachtvollen, aus Eichenholz geschnitzten Rahmen anfertigen lassen, der im Zweiten Weltkrieg verloren ging. Eine Aufnahme aus dem Jahr 1909 zeigt diesen originalen Rahmen, und eine Fundstelle in den Tagebüchern Bodes, die Material und Ausführung genau beschreibt, ermöglichte es nun, diesen Rahmen zu rekonstruieren. Der rekonstruierte Rahmen wird in der Ausstellung erstmals präsentiert.


Leopold Bode, Die Entdeckung der Frankenfurt durch Karl den Großen, 1888

Katalog
Zur Ausstellung ist im Prestel Verlag für 45,- € ein Katalog (Hrsg. Herbert W. Rott und Ulf Sölter) mit Beiträgen von Andrea Gottdang, Joachim Kaak, Hubertus Kohle, Herbert W. Rott, Carola Sauter, Ulf Sölter und Agnes Thum erschienen (Hardcover, 216 Seiten, 22,0 x 28,0 cm, 180 farbige Abbildungen - ISBN: 978-3-7913-5840-6), der im Museumsshop in einer Sonder-Ausgabe für 26,80 Euro erhältlich ist.
Das Ausstellungsprojekt entstand in Zusammenarbeit mit der Sammlung Schack / Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München. In Neuss ist die Schau um einen Themenbereich erweitert: das Wirken Steinles und Bodes im Rheinland.
Clemens Sels Museum - Am Obertor - 4146 Neuss - Tel: 02131- 904141
Die Ausstellung ist dienstags bis samstags von 11 bis 17 Uhr, sonntags bis 18 Uhr und am letzten Donnerstag/Monat bis 20 Uhr geöffnet.
 
Weitere Informationen: www.clemens-sels-museum-neuss.de