Ein Kabinettstück, das kein Dramatiker, kein Drehbuchautor erfinden könnte.

„Tea With The Dames“ von Roger Michell

von Renate Wagner

Tea With The Dames –
Ein unvergesslicher Nachmittag
(Nothing Like a Dame - GB 2019)

Regie: Roger Michell
Mit: Eileen Atkins, Judi Dench, Joan Plowright, Maggie Smith
 
Eileen Atkins. Judi Dench. Joan Plowright. Maggie Smith. (Das Alphabet ist die einzig gerechte Form einer Reihung, wenn alle auf der gleichen Höhe rangieren.) Damen sind sie wirklich, große Damen des Theaters und des Films, alte Damen (drei sind 85, eine - „Lady Olivier“ – ist 90), und natürlich auch noch „Dames“, sprich: Dame Commander des Order of the British Empire (DBE), eine Adelsauszeichnung, von der Queen selbst (oder auch Prinz Charles) verliehen (man bekommt auch die Zeremonien zu sehen).
Welch gloriose Idee von Filmemacher Roger Michell, die Damen an einem Nachmittag am runden Tisch zu versammeln und einfach plaudern zu lassen… ein Kabinettstück, das könnte kein Dramatiker, kein Drehbuchautor erfinden.
 
Der Zuschauer, der die Ladies aus eigenen Theater- und Filmerfahrungen kennt, wird natürlich der glücklichste sein. Judi Dench ist am berühmtesten geworden, zweimal als Queen Victoria auf der Leinwand, aber als „M“ für James Bond natürlich einem Millionenpublikum bekannt. Maggie Smith, in jüngeren Jahren immerhin zweimal Oscar-gekrönt, hat zuletzt noch popularitätsfördernd bei den „Harry Potter“-Filmen vorbeigeschaut (was für die „erwachsenen“ Darsteller kein Vergnügen war, wie sie sich erinnert, weil sich alle logischerweise nur auf die Kinder konzentriert haben). Eileen Atkins war vor allem eine ganz große Bühnendarstellerin und Joan Plowright desgleichen, obwohl beide auch immer wieder Filme gemacht haben.
Joan Plowright nimmt außerdem eine besondere Stellung unter ihnen allen ein, denn sie war „Lady Olivier“, und wenn es darum geht, Erinnerungen an den immer schwierigen Sir Laurence Olivier auszupacken, haben alle was zu erzählen. „Es war überhaupt kein Vergnügen, neben ihm auf der Bühne zu stehen, weil man ja wußte, daß das Publikum nur auf ihn schaute!“ Und Joan Plowright weiß selbstironisch (mit einem ganz, ganz kleinen Hauch von Bitterkeit) zu erzählen, wie es ist, wenn jeder nur sagt: „Er hat sie ja nur besetzt, weil sie seine Frau ist…“ Es war, sagt sie, ein Privileg und ein Alptraum, sein Leben zu teilen.
Übrigens, wie die Damen angesichts der Rolle von Shakespeares Cleopatra feststellen: „Besondere Schönheiten waren wir ja alle nicht.“ Tatsächlich, aber jede so wunderbar eigenwillig und von so überwältigendem Talent, daß sie alle ihren Weg machten – auch in einer Männerwelt. Aber ihre Erinnerungen an die großen Partner, John Gielgud, Alan Bates, sind eigentlich liebevoll. Auch an die Ehemänner – wenn Maggie Smith sich erinnert, daß ihr Gatte Robert Stephens zu viel trank, „man wußte nie, in welchem Zustand er auf die Bühne kommen würde“. Aber „wir waren ein goldenes Paar“.
Es ist unglaublich, wie selbstironisch die vier zu plaudern wissen, in die Erinnerungen hinabsteigen, wobei es manches Komische gibt – wie sie sich von Vanessa Redgrave verleiten ließen, an einer Demonstration teilzunehmen, sich auf den Trafalgar Square gesetzt haben, verhaftete wurden, und dann fiel ihnen ein: Wir haben ja abends Vorstellung!
Wunderbar wie zwischen den Vier so gar keine Spannungen herrschen (selbst wenn Maggie Smith bemerkt: „Alle guten Rollen werden zuerst Judi angeboten“). Wie gelassen sie eigentlich zurückschauen auf Leben, in denen es selbstverständlich Triumphe ebenso wie Niederlagen gegeben hat. „Kritiken liest man nicht – es findet sich schon jemand, der sie einem zuträgt.“
 
Besonders schön sind die filmischen Erinnerungssequenzen, die aus der Vergangenheit geholt wurden: Die alten Damen als kämpferische, selbstbewußte junge Frauen in Interviews, dazu wunderschöne Szenen aus Stücken, meist noch Schwarzweiß, die aber in diesen kurzen Sequenzen ahnen lassend, wie faszinierend sie gewesen sein müssen – für Shakespeare und die anderen…
Was raten die Damen der Jugend?
Joan Plowright: Befaß dich mit Yoga und Innerlichkeit.
Eileen Atkins: Sei nicht immer so übellaunig und streitlustig und höre mehr zu.
Maggie Smith: Wenn du an etwas zweifelst, dann mach es nicht.
Judi Dench: Verlieb dich nicht zu schnell, es macht dich fertig.
Wollen sie alle ewig weiter arbeiten? „Also ich habe keine Lust aufzuhören“, sagt Judi Dench, und den andern geht es ebenso. Gott sei Dank. Und danke für diesen unvergeßlichen Nachmittag. Jetzt würde man gerne einen ähnlichen Film sehen mit Vanessa Redgrave, Glenda Jackson, Helen Mirren, Emma Thompson, der nächsten Generation von Englands grandiosen Schauspielerinnen…
 
Renate Wagner
 
Vorschau