Vom Zauber unschuldiger Liebe

Longos – „Daphnis und Chloe“

von Robert Sernatini

Vom Zauber unschuldiger Liebe
 
Daphnis und Chloe
Der erste erotische Roman der Weltliteratur
 
Um die Liebe kreist das Denken und Fühlen so wie die Erde um die Sonne und die Galaxie um das Große Unbekannte. Womit sich der Kreis schließt, denn für die unschuldigen Helden des Liebesromans „Daphnis und Chloe“ aus der Feder des biographisch nicht gesicherten griechischen Autors Longos ist diese Krankheit „Liebe“ ein Mysterium. Der gegen Ende des 2. Jahrhunderts geschriebene Roman fand rund 1.600 Jahre später auch bei Johann Wolfgang von Goethe Gefallen, wie sein Biograph Eckermann unter dem 30. März 1831 berichtet. In der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts vielfältig aufgegriffen, zeigt sich die Sehnsucht nach bukolischer Romantik und zarter Liebe in idyllischen Landschaften.

Longos packt die zarten Kreise, die unser schönes junges Paar um das große Geheimnis zieht, in eine Handlung voller handfester Abenteuer und griechischer Mythologie. Er legt als Ort der Geschichte die Insel Lesbos fest und beschreibt das nahezu elysische Landleben dort, die Machtverhältnisse und durchaus auch kriegerische Auseinandersetzungen im Rahmen der Handlung. Als Findelkinder die von Schafen und Ziegen gesäugt wurden und von zwei Hirtenfamilien aufgenommen, wachsen der Knabe Daphnis und das Mädchen Chloe als die betörende Syrinx spielende Hirten in der idyllischen Berglandschaft der Insel Lesbos auf. Spielerisch entdecken sie über Jahre hinweg wechselseitig ihre Körper und ihre sie in Verwirrung stürzende verzehrende Leidenschaft füreinander. Feinfühlig und zart beschreibt Longos die in aller Unschuld geschehenden zarten Begegnungen, in der Übersetzung von Kurt Steinmann nicht minder einfühlsam ins Deutsche übertragen.
 
Der Leser, der ohne Voyeur zu werden zum Zeugen erster Berührungen, zärtlicher Küsse, klopfender Herzen, noch harmloser Umarmungen sowie wachsender Neugier und Begehrlichkeit wird, verfolgt mit Interesse, wie Longos es schafft, die Geschichte raffiniert zu entwickeln, bis sich am Ende die beiden auch in körperlicher Liebe vereinen dürfen. Dazu, wie sich das alles ohne Aufklärung durch die Zieheltern entwickelt, zieht Longos geschickt weise Ratgeber aus dem Hut, wie den weisen Ratgeber Philetas und die in Liebesdingen erfahrene, schon etwas handfestere Lykainion, die Daphnis – auch zu ihrem eigenen Vergnügen – verführt und ihm zeigt, wo Bartel den Most holt: „Wie er sich nun gesetzt, sie geküßt und sich hingelegt hatte, spürte sie, daß er zum Vollzug bereit war und vor Verlagen beinahe platzte; da richtete sie ihn aus der Seitenlage auf, ließ ihren Körper unter seinen gleiten und führte ihn auf den bis dahin gesuchten Pfad. Von da an war von ihr kein besonderer Einsatz mehr nötig, denn die Natur selbst lehrte ihn, was noch getan werden mußte.“
Doch bis auch Daphnis und Chloe soweit sind, gibt es noch viele Abenteuer, Hindernisse und Kabale…


Konstantin Somov - Daphnis und Chloe (nicht im Buch)

Longos – „Daphnis und Chloe“
Ein Liebesroman - Aus dem Altgriechischen von Kurt Steinmann
© 2019 Manesse Verlag 192 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Fadenheftung, 9x15 cm, Anmerkungen
ISBN: 978-3-7175-2486-1
22,- €
Weitere Informationen: www.manesse-verlag.de