„Eine Lyrikerin hat kein Alter“

Die Dichterin und Malerin Else Lasker-Schüler wurde am 11. Februar vor 150 Jahren in Elberfeld geboren

von Andreas Rehnolt

ELS-Denkmal in Wuppertal - Foto © Frank Becker
„Eine Lyrikerin hat kein Alter“
 
Die Dichterin und Malerin Else Lasker-Schüler
wurde am 11. Februar vor 150 Jahren in Elberfeld geboren
 
Von Andreas Rehnolt
 
Eine Lyrikerin hat kein Alter, sie ist nicht an irdische Zeiten gebunden“, sagte der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Richard B. Matzig (1904-1951) im Jahr 1936 im schweizerischen Ascona zu der deutsch-jüdischen Dichterin Else Lasker-Schüler. Die war dort wegen der Nationalsozialisten im Exil, durfte auch in der Schweiz nicht öffentlich schreiben und ärgerte sich damals darüber, daß man ihr zum vermeintlichen 60. Geburtstag gratulierte, weil sie jünger sei. Tatsächlich war sie da bereits 67 Jahre alt.
 
Am 11. Februar 1869 - also vor nun 150 Jahren - wurde die wegen ihrer Malerei auch gerne „Poetin der Zeichenfeder“ genannte Lasker-Schüler in Elberfeld, heute Wuppertal, als Tochter des Bankiers Aaron Schüler und seiner Frau Jeanette geboren. „Ihre Themen waren jüdisch, ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch“, so der Arzt und Dichter Gottfried Benn (1886-1956) über seine zeitweilige Geliebte Lasker-Schüler.
In der bergischen Metropole ist unter anderem der Sitz der engagierten Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, die sich seit ihrer Gründung im November 1990 unter anderem um das künstlerische Erbe der Dichterin kümmert. Deren Vorsitzender und Mitbegründer, der Journalist Hajo Jahn, ist nach wie vor begeistert von der „Avantgardistin der modernen Lyrik“, die in Ascona Dichterlesungen gab. Bis heute hätten wohl gut 350 Komponisten und Komponistinnen die Lyrik von Lasker-Schüler vertont, so Jahn.
Die Autorin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus gilt über viele Jahre als eine der schillerndsten Figuren der deutschen Literaturgeschichte. Sie nannte sich „Tino von Bagdad“, „Liebling des Pharaos“ oder auch „Dichterin von Arabien“. Bis zu ihrem Lebensende blieb sie zudem „Prinz Jussuf von Theben“. Schon als kleines Mädchen zeichnete und malte sie gerne und so verwundert es nicht, daß sie neben dem Schreiben auch eine künstlerische Ausbildung in Berlin absolvierte.
 
Ihr Lehrer war Simson Goldberg, ein Schüler des berühmten Berliner Malers Max Liebermann. Und sie war damals in Deutschland als bildende Künstlerin auch anerkannt. Ihre Bilder wurden schon früh ausgestellt. 1913 etwa in Prag, 1915 in Berlin und München, im damaligen Folkwangmuseum im westfälischen Hagen und später, als sie bereits im Exil war, auch in Zürich, Jerusalem oder London.
In Berlin lernte sie über Goldberg auch andere Künstler kennen, die sie in die „Neue Gemeinschaft“ mitnahmen, einen Szenetreff von überwiegend exzentrischen Malern, Musikern und Schriftstellern, wo sie sich wohlfühlte. Ihr 1902 veröffentlichter Gedichtband mit dem Titel „Styx“ fiel bei der Kritik durch. Ihre zwei Ehen mit dem Arzt Berthold Lasker und dem Verleger Herwarth Walden scheiterten. Zu ihren Freunden in dieser Zeit zählten unter anderem die Maler George Grosz, Oskar Kokoschka, Franz Marc und Karl Kraus.
Wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschwor Lasker-Schüler in ihren Gedichten und Zeichnungen immer wieder den Orient als märchenhafte Gegenwelt. Sich selbst setzte sie darin vornehmlich als den hoffnungslos liebenden Träumer und Prinzen Jussuf in Szene, Herrscher über Theben und den ganzen Vorderen Orient. In schrille Gewänder gekleidet, begleitet von Flöten, Trommeln und Rasseln, deklamierte sie ihre Gedichte auf den angesagtesten Bühnen Berlins.
 
1912 erschien mit dem Titel „Mein Herz“ ein Liebesroman Lasker-Schülers. Ein Jahr drauf dann „Hebräische Balladen“, kurz danach weitere Bücher wie „Der Malik“. 1939 wurde auch ihr 1909 entstandenes Drama „Die Wupper“ im Deutschen Theater Berlin erfolgreich uraufgeführt. Noch im selben Jahr begann der Verlag Paul Cassirer mit einer 10-bändigen Gesamtausgabe der Gedichte und Prosatexte von Else Lasker-Schüler. 1932 erhielt sie für ihr Werk „Arthur Aronymus“ über die brüchige Beziehung zwischen Juden und Christen den angesehenen Kleistpreis und damit endlich Erfolg und Anerkennung.
Doch bereits ein Jahr später, mit Adolf Hitlers Amtsantritt als Reichskanzler und der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich alles. Else Lasker-Schüler emigrierte in die Schweiz. Dort im Exil entstanden ihre berühmten Gedichte „Die Verscheuchte“ und „Mein blaues Klavier“, ihr Buch „Das Hebräerland“ wurde dort verlegt und das inzwischen in Deutschland verbotene Stück „Arthur Anonymus“ wurde 1936 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Zu diesem Zeitpunkt hingen noch über 100 Originalbilder von ihr in der Nationalgalerie Berlin. 1937 wurden sie als „entartet“ beschlagnahmt und ins Ausland verkauft.
 
In ihrer Schweizer Zeit litt Lasker-Schüler unter erheblicher Geldnot, ihr Leben finanzierte sie zum allergrößten Teil durch Zuwendungen von Künstlerfreunden und durch den Verkauf einzelner eigener Zeichnungen. Im April 1939 schließlich, nachdem sie bereits einige Jahre zuvor einmal in Palästina gewesen war, siedelte sie als alte Frau dorthin über, fand jedoch als mittellose und vereinsamte Künstlerin auch hier keine Heimat. 1943 veröffentlicht sie in Jerusalem ihren letzten, vielleicht schönsten Gedichtband mit dem Titel „Mein blaues Klavier“. 
Sie schien den Tod da bereits zu ahnen. In einem der Gedichte heißt es: „Ach liebe Engel öffnet mir - Ich aß vom bitteren Brote - Mir lebend schon die Himmelstür - Auch wider dem Verbote“. Das Buch widmete sie „Meinen unvergeßlichen Freunden und Freundinnen in den Städten Deutschlands - und denen, die wie ich vertrieben und zerstreut. In Treue!“. Else Lasker-Schüler starb am 22. Januar 1945 in Jerusalem. Ihr Grab befindet sich auf dem Ölberg. Die Stadt Wuppertal erinnert anläßlich ihres 150. Geburtstages mit Theateraufführungen, Lesungen und einer Ausstellung an die Dichterin.
 
Redaktionelle Bearbeitung: Frank Becker