Ritterspiele, Minne und Mummereien

Stefan Krause - Freydal Medieval Games.

von Johannes Vesper

Freydal 1515
 
Turniere und Feste bei Kaiser Maximilian I.
 
Von Johannes Vesper
 
Er war der vielleicht der wichtigste Herrscher in Europa um 1500, erweiterte die Stammlande Österreichs nach Osten und Westen bis hin nach Spanien durch Feldzüge und eine erfolgreiche Heiratspolitik. Maximilian des Ersten vielleicht größte Leistung bestand zunächst darin, mit 18 Jahren zuzugreifen, als die Hochzeit zwischen ihm und Maria von Burgund vorgeschlagen wurde, deren Vater in der Schlacht von Nancy 1477 gefallen war. So erbte er die Niederlande, heiratete nach dem tödlichen Jagdunfall seiner geliebten Maria erneut und gewann so die Lombardei und wurde zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt.
 
Nach 1510 glaubte er, der mit Albrecht Dürer zusammenarbeitete und Musiker wie Heinrich Isaac förderte, seine Unsterblichkeit fördern zu müssen, und behauptete, er stamme von Karl den Großen und Julius Caesar ab. So ließ er 255 vergoldete Buchminiaturen im Format 13,5 x 13,5 cm von den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit  (Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer u.a.) anfertigen. Sie zeigen den Kaiser beim Turnier. Das Turnier spielte als gesellschaftliches Ereignis im Mittelalter bis hin zu Maximilian eine wichtige Rolle zur Kontaktpflege, als diplomatisches Parkett und beim Heiratsmarkt. Hier kämpften zum Vergnügen der geladenen Gäste die Ritter, die ihre zunächst rein militärischen Übungen für Hof und Gesellschaft kultiviert hatten. Zum Ritter wurde geschlagen, wer die ritterlichen Tugenden begriffen hatte und vertrat: Treue (zum Kaiser), Tapferkeit, Minne (Frauendienst am Hofe). Mit Turnieren – der Begriff stammt von lat. Tornare = sich drehen, sich wieder in Angriffsstellung bringen - repräsentiert aber auch der Veranstalter.


Kaiser Maximilian hatte damit seine politische Bühne gefunden und glaubte als kämpfender Ritter größten Ruhm über seinen Tod hinaus erwerben zu können. Mit dieser bildnerischen Art der Selbstdarstellung betrieb der letzte Ritter des ausgehenden Mittelalters schon damals persönliche Propaganda. Heute haben sich solche Turniere überlebt, wobei das bäuerliche Ringstecken der Zeeuwsen Ringrijders in den Niederlanden als volkstümliche Turniervariante der Gegenwart gelten mag. Der Namensgeber dieses kostbaren autobiographischen Buches spiegelt als Freydal literarisch-mythologisch mehr oder weniger fiktiv das Leben des Kaisers wider. In 64 Turnieren prügelte er sich, benutzte deutsches und welsches Gestech, Wurfstern, Schwert, Streitkolben, Ahlspieß, Hellebarde, Dreschflegel, Streithammer und andere Waffen, alles im Angesicht der schönen Damen bei Hofe. An unterschiedlichsten Waffen bestand bei der überbordenden Fantasie der Waffenproduzenten schon damals kein Mangel. Bei diesen Duellen, kleideten sich der Kaiser und seine ritterlichen Gegner prächtig mit herrlichen Rüstungen, Schilden und Helmzierden wie goldenen Widderhörnern, Gänseköpfen, mythologischen Monstern, Löwen und vielleicht noch am passendsten mit Affen und Eselsohren. Die Helmschau diente als Eintrittskarte zu solchen Turnieren.

 
Zu diesen Festen gehörten allerlei Mummereien, also Kostümfeste, bei denen nicht nur der Hofnarr auftrat, sondern Männer Frauenröcke und -kleider trugen, sich aber auch anders verkleideten, z.B. mit Bergmannskostümen. Auch vor Nacktkostümen schreckte man bei passendem Sujet nicht zurück und musizierte dabei mit Flöte, Krummhorn und Schlagzeug. Die jungen Leute vergeudeten damals nicht mit dem Lernen von Lesen und Schreiben ihre Zeit! Leibesübungen standen auf dem Programm. Auf so ein Hofleben bereitete sich der junge Adlige vor mit „freiden ueben, steine werfen, und stang schueben, tantzen und springen, fechten und ringen, stechen und turnieren und schöne frawen hoffieren“. Erstaunlich wie viele Waffen kaputt gingen, zersprangen und zerbrachen und wie viele Ritter bei diesem munteren und festlichen Treiben verletzt vom Pferd fielen, wobei eine medizinische Versorgung vor Ort ebenso wie das Wirken von Schiedsrichtern nicht dargestellt wird. Erstaunlich, daß die damals wichtigsten politischen Entscheidungsträger sich selbst dem Verletzungsrisiko eines solchen Wettkampfes aussetzten. Jeder Turniergegner wird in dieser persönlichen Turnierchronik des Kaisers dargestellt. Es gibt in diesem opulenten Band mächtig viel zu sehen. Die originalen Miniaturen befinden sich im Kunsthistorischen Museum Wien und gehören zum Weltdokumentenerbe der UNESCO.
 

Heutzutage weniger relevante Spezialbegriffe wie Anzogen- und Geschiftscheibenrennen und etliche andere mehr werden im Glossar erklärt. In einem Essay auf Englisch, Deutsch und Französisch wird die Geschichte der Malereien, der Turniere und des Freydal erläutert. Die Freydal-Miniaturen lagen jahrhundertelang in verschlossenen Schränken habsburgischer Bibliotheken bis sie Ende des 19. Jahrhunderts in dem damals neu gegründeten Wiener Kunsthistorischen Museum ihren Platz fanden. Jetzt werden sie bei TASCHEN in gewohnt qualitätvollem Druck erstmalig vollständig herausgegeben und einem größerem Publikum vorgelegt.


 
Stefan Krause - Freydal Medieval Games.
Das Turnierbuch Kaiser Maximilians I. Taschen 2019, Nachdruck des Originals aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien zum 500. Todestag Maximilians und vereint zum ersten Mal alle 255 gold- und silbergehöhten Miniaturen mit einem einleitenden Essay und erläuternden Texten.
© 2019 TASCHEN GmbH, 447 Seiten, gebunden, 36x36 cm - ISBN 978-3-8365-7681-9
150,- €
Weitere Informationen: www.taschen.com