Der Pfingstausflug
Eine Abrechnung mit Gestank und Lärm
Da sitze ich, einen Steinwurf von Vater Rhein entfernt, genauer gesagt in St. Goar und genieße eine köstliche Tasse Kaffee im Sonnenlicht eines herrlichen Pfingstsonntagnachmnittags.
Versonnen hänge ich den Romantikern des 19 Jahrhunderts nach, lasse ihre Kupferstiche des sagenumwobenen Mittelrheintals vor meinem geistigen Auge Revue passieren, den Binger Mäuseturm, die Loreley, Burg Stahleck, Burg Sonneck, Ruine Ehrenfels und - werde abrupt aus meinem Tagtraum gerissen.
Eine Horde aufbrüllender Motorräder zerreißt meinen Film. Da ist jetzt nix mehr mit Rheinromantik und Gedanken an Heinrich Heines Loreley, Schumanns Rheinische oder Liszts Werke mit kompositorischen Bezügen zum Vater Rhein.
Die Ritter auf ihren stinkenden und knatternden Stahlrössern haben mich ins hier und jetzt zurückgeholt, gnadenlos.
Zum Glück verziehen sich Lärm und Gestank der Horde Asphaltcowboys schnell wieder und die vorherige Ruhe kehrt zurück. Der Blick auf St. Goarshausen im spätnachmittäglichen Sonnenlicht entschädigt mich unweigerlich und die Gedanken an die Romantiker kehren langsam wieder zurück.
Der gestrige Besuch des „Museum am Strom“ in Bingen mit den hier gezeigten Stichen dieser Epoche hinterließ einen nachhaltigen Eindruck vom Lebensgefühl jener Zeit, wobei die Schönheit des Rheintals dort in vielfältigsten Ansichten gezeigt wird, eben eine großartige Tiefdruckkunst zu bewundern ist.
Meinen Kaffee schlürfend und über die damaligen Möglichkeiten des Reisens nachdenkend, überkommt mich das Gefühl, ein tiefes, dumpfes Wummern zu spüren, weniger zu hören als zu fühlen. Was mag das sein? Die Romantik ist leider schon wieder verblaßt, das Reisen zu jener Zeit nun Nebensache.
Ich konzentriere mich auf das tieffrequente, rhythmische Wummern und erahne langsam dessen Ursprung. Es ist der Sound einer Bass-Drum die im 4/4 Takt bedient wird. Mein Blick in die vermutete Richtung des zunehmenden, unangenehm lauter werdenden Geräuschs macht mich sprachlos.
Stromabwärts sehe ich einen Ausflugsdampfer, kein weiteres Schiff sonst. Zu weit entfernt, als daß man Menschen erkennen könnte. Ich warte also auf das Herannahen der - wie sollte es anders sein? – „Loreley-Line“. Und dann haut´s mich um.
Auf dem Schiffsdeck stehen, dicht gedrängt, Hunderte Menschen (man liest, sie nennen sich „Techno-Pirates“) die, und nun hört man auch die höheren Frequenzen, zu Techno-Musik tanzen. Wenn schon am Flußufer der Lärm unerträglich scheint, wie stark wird der Lärmpegel auf dem Schiff sein?
Mag sein, daß ich altmodisch bin, aber ich mag keine Belästigungen im öffentlichen Raum, weder jene, die mein Hören oder solche, die mein Riechen beeinträchtigen. Es ist völlig egal, was da musikalisch oder im Falle der Motorradkolonne meine Sinne belästigt, es nervt allemal.
Ein Rheinausflug und mag er noch so sehr beworben werden (Weltkulturerbe Mittelrheintal!) wird nicht schöner, wenn Lärm und Gestank gnadenlos verbreitet werden dürfen.
Soviel zum diesjährigen Pfingstausflug.
© Karl-Heinz Krauskopf 2019
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