Musikfestival(un)kultur

Über U und E - Eine Streitschrift

von Karl-Heinz Krauskopf

Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Musikfestival(un)kultur
 
Der Sommer 2019 bietet – und die Wettervorhersagen bestätigen es - zur großen Freude aller, viele, herrlich lange Sonnentage! Das Wetter spielt also mit und die besten Voraussetzungen für die jetzt aller Orten stattfindenden Musikfestivals, von Klassik über Jazz bis Pop, sind gegeben. Zudem ist´s ein gutes Gefühl für den Festivalfreund, daß es noch ausrechendes Sponsoring gibt, um die Vielfalt der gebotenen Musikstile zu erträglichen Eintrittspreisen wahrnehmen zu können. Folglich sind die Veranstaltungen, ob in Schleswig Holstein, Sachsen, Rheinland Pfalz oder Bayern, bestens gebucht und besucht.
 
Ich habe mir schon immer Gedanken gemacht, warum man Musik in U- und E-Musik unterteilt. Meines Erachtens ist das - und jetzt mache ich mir bestimmt keine Freunde - ein völlig überholtes Klassifikationsschema. Denkste !?!
Die U- = Unterhaltungsmusik soll also unterhalten und die E- = ernst zu wertende Musik offensichtlich den Anspruch von Hochwertigkeit vermitteln. Also: Bach = ernst ist musikalisch anders zu bewerten als Miles Davis oder die Kellys, weil die „nur“ unterhalten und populär bzw. kommerziell ausgerichtet sind. Das könnte stimmen, wenn man die folgende Beobachtung in Betracht zieht. Die spürbaren Unterschiede bei Open Air- und Festivalbesuchen der beiden Genres, der sogenannten U- und der E-Musik, machen das sehr schnell deutlich.
 
Der Genuß eines Sinfoniekonzerts im Hof einer Abtei in Mitteldeutschland oder das Kammerkonzert auf einem Burghof am Mittelrhein sind bei sommerlichen Temperaturen Glanzlichter und damit gerne wahrgenommene Möglichkeiten der Klassikfans, die geschätzte „E-Musik“ auch mal außerhalb der bekannten Konzertsäle zu genießen. Das ausgefallene Ambiente und die lockere Atmosphäre solcher Spielorte haben daran großen Anteil. Und was erlebt der Besucher? Er betritt den bestuhlten Raum, setzt sich, vielleicht mit einem Glas kühlem Grauburgunder und genießt die besondere Umgebung. Lebhafte und freundliche Gespräche der Gäste charakterisieren die beschauliche Situation. Und dann erlebt man sein Konzert über das schon in der Pause und erst Recht nach der Zugabe, am Ende des Konzertabends begeistert, lobend und oftmals überschwenglich geschwärmt wird. „Stimmt!“ mag die/der eine oder andere zustimmend denken. Und? Außer der Livemusik gab´s leider? nichts, wenn man von den Getränken und vielleicht auch Salzbrezeln mal absieht.
Und genau hier liegt der Grund, warum sehr fein E- von U-Musik unterschieden wird.
Der Klassikfreund geht zu einem Konzert, um ausschließlich die dargebotene Musik und vielleicht den Austausch darüber zu erleben und zu genießen.
 
Besuchen wir die Festivals der U-Musiker, findet dort das Festivalgeschehen zunächst kaum anders statt, jedoch mit dem  wesentlichen Unterschied, daß die Band, das Trio oder der Singer/Songwriter vor dem Auftritt, in der Konzert-Pause und am Schluß der Veranstaltung übergangslos von Musik aus der Konserve abgelöst wird. Nivellierung, fehlende Wertschätzung des Künstlers und akustisches Zudröhnen der Festivalbesucher ist im U-Musikbereich eine weit und breit praktizierte Wirklichkeit - wobei erlesene Jazzkonzerte wie z.B. die renommierte Wuppertaler Nachtfoyer-Reihe von Wolfgang Schmidtke und ähnliche hochkarätige Jazz-Veranstaltungen immerhin eine löbliche Ausnahme machen.
Man stelle sich einmal vor, daß vor, in der Pause und nach dem Livekonzert eines renommierten Orchesters aus der Konserve die Wiener Philharmoniker über die PA-Anlage eingespielt oder gar dröhnen würden...
 
Unglaublich? In der Tat!
 
Damit ist mir klar geworden, warum sich die E-Musik von der U-Musik unterscheidet, sich im Veranstaltungskonzept wohltuend absetzt. Auf der einen Seite wird eben von allen Seiten ernsthaft (=E) und mit Wertschätzung auf die Einzigartigkeit des Konzerts und der künstlerischen Darbietung reagiert.
U-Musiker, die live auftreten und sich nicht gegen die auch vom Publikum widerspruchslos hingenommene Unsitte der nahtlosen Beschallung mit Konservenmusik wehren, scheinen ihre eigenen Kompositionen, Texte und Musikdarbietungen nicht sehr hoch einzuschätzen. Sie haben tatsächlich nur das „U“ (für unnötig?!) verdient und fördern die Bedeutungslosigkeit der eigenen Musik.
 
KHK – 25.06.19