Vor 50 Jahren starb Otto Dix

Der Maler und „Augenmensch“ gilt als zynischer Chronist der 1920er Jahre

von Andreas Rehnolt

Otto Dix 1929 - Foto © Hugo Erfurth
Vor 50 Jahren starb der Maler
und „Augenmensch“ Otto Dix
 
Die letzten 33 Jahre seines Lebens verbrachte der auch als zynischer Chronist der 1920er Jahre bezeichnete Künstler am Bodensee - Stationen in Gera, Dresden, Düsseldorf und Berlin
 
Von Andreas Rehnolt
 
 
Ich kumm uff keinen grienen Zweich. Meine Malereien sind unverkäuflich. Entweder ich werde berühmt oder berüchtigt.“ So der Maler Otto Dix im Jahr 1920. Da war er bereits 29 Jahre alt, hatte nach einer Lehre als Dekorationsmaler ein Studium an der Kunstgewerbeschule in Dresden sowie als Freiwilliger den Ersten Weltkrieg als Soldat in Frankreich und Rußland hinter sich. Am 25. Juli 1969 - also vor 50 Jahren - starb der zu diesem Zeitpunkt bereits berühmte Künstler in Singen nahe Konstanz.
 
„Kunst machten die Expressionisten genug, wir wollten die Dinge ganz nackt, klar sehen, beinahe ohne Kunst. Die Neue Sachlichkeit, das habe ich erfunden“, sagte Dix wenige Jahre vor seinem Tod. Nach vielen Bildern, die das Grauen des Krieges zeigten, malte er um 1920 in Dresden vor allem dadaistische Gesellschafts-Collagen. Geboren wurde Dix 1891 als Sohn eines Eisenformers und einer Näherin in der Nähe von Gera. Seit 1991 ist sein Geburtshaus ein Museum, das mit etwa 400 Arbeiten auf Papier und Gemälde über eine der größten Dix-Sammlungen in öffentlicher Hand verfügt.
1922, kurz bevor er für einige Jahre nach Düsseldorf übersiedelte, hatte er vor allem den Ruf eines Skandale liebenden Bürgerschrecks und schon einige Erfahrungen wegen seiner Bilder mit der Justiz hinter sich. In Mainz und Berlin war er wegen seiner freizügigen Bilder „Salon II“ und „Mädchen vor Spiegel“ wegen unzüchtigem Malen angeklagt, aber nicht verurteilt worden. Markant auch der 50-teilige Radierzyklus „Der Krieg“, der in seiner Düsseldorfer Zeit nach Skizzen in Schützengräben und Lazaretten des Ersten Weltkrieges entstand.
Der für seine schonungslosen Bilder gefürchtete Dix habe dem Gericht klarmachen können, daß er auch mit den beiden der Anklage zugrunde liegenden - leider verschollenen - Bildern „die Realität und das Schlimme dieser Zeit“ darstellen wollte. Diese Argumentation habe man dem Künstler nicht abstreiten können, so Anette Kruyzynski von der Kunstsammlung NRW, die vor zwei Jahren eine große Ausstellung zu Dix präsentierte.
 
Die Kuratorin der damaligen Schau, Susanne Meyer-Büser, meinte, Dix sei „der wohl schonungsloseste Maler vom Glanz und Elend der Weimarer Republik.“ Knapp fünf Jahre bis 1925 blieb Dix in Düsseldorf, in dieser Zeit entwickelte er sich vom Dadaisten zum neusachlichen Porträtisten, der seine Mitmenschen schonungslos auf der Leinwand fixierte. Nach zwei Jahren in Berlin, wo seine kritisch-analytische Malerei ihren Höhepunkt erreichte, war er von 1927 bis 1933 Professor an der Dresdener Kunstakademie.
In diesen Jahren entstanden die Triptychen „Großstadt“ und „Der Krieg“. Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war Dix einer der ersten Kunstprofessoren, die entlassen wurden. Nach der Fertigstellung des Gemäldes „Die sieben Todsünden“ zog er sich nach Süddeutschland zurück, zunächst nach Singen, dann 1936 nach Hemmershofen am Bodensee. Dort, wo er bis zu seinem Tod lebte und arbeitete, ist sein ehemaliges Wohnhaus längst ein Otto Dix-Museum geworden.
Seine Bilder des schonungslosen Realismus, in denen er die häßlichen Seiten des Lebens zeigte, führten 1937 dazu, daß die Nazis viele seiner Werke als „entartet“ diffamierten und dem Künstler Ausstellungsverbot erteilten. 260 seiner Bilder wurden in deutschen Museen beschlagnahmt und zum Teil verkauft oder verbrannt. Wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er 1945 noch zum Volkssturm eingezogen und kam im Elsass in Gefangenschaft.
Am Bodensee entstanden auch Landschaftsbilder, die der Künstler selbst „zum Kotzen schön“ fand. Auch biblische Motive und Allegorien entstanden in den letzten drei Jahrzehnten. So auch das Glasfenster „Leben Petrus“ für die evangelische Petruskirche in Kattenhorn sowie das einzig erhaltene Wandbild von Dix mit dem Titel „Krieg und Frieden“ für das Rathaus in Singen. Das mißt 5 mal 12 Meter und entstand 1960. 
 
Als Anklage gegen den Krieg und Mahnung zum Frieden wird dieses Werk oft mit Pablo Picassos weltberühmten „Guernica“-Bild von 1937 verglichen. 1959 erhielt Dix das Bundesverdienstkreuz. Der Maler, der das Kaiserreich, den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik, die NS-Zeit und den 2. Weltkrieg sowie die Nachkriegszeit erlebte, starb am 25. Juli im Alter von 77 Jahren nach einem Schlaganfall in Singen.
Sein Grab befindet sich in Hemmenhofen auf der Bodensee-Halbinsel Höri. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts und war bis zum Schluß ein „Augenmensch, der in seinen Bildern das verarbeitete, was er selbst gesehen hatte“, hieß es nach seinem Tod.