Jeder Griff muß sitzen

Wolf Erlbruch, Zeichner, Autor, Illustrator

von Frank Becker


Jeder Griff muß sitzen
 
In Wuppertal lebt und arbeitet einer der ganz Großen der Buchillustration. Ein stiller, liebenswürdiger Mann, der eigentlich gar nicht möchte, daß man viel Aufhebens um ihn macht, jedoch zu höflich ist, dem wohlmeinenden Drängen zu widerstehen.
 
Die Rede ist von Wolf Erlbruch, Zeichner, Autor, Illustrator von Kinderbüchern, Familienvater und Professor an der Bergischen Universität / Gesamthochschule Wuppertal.
Wolf Erlbruchs Bücher aus dem Wuppertaler Peter Hammer Verlag und aus dem Verlag Antje Kunstmann, bei Hanser, Carlsen, Querido und Rowohlt erschienen, nehmen stets vordere Plätze in den Bestenlisten ein. National und international wurden seine Bücher ausgezeichnet, zuletzt das zauberhafte Traum-Bilderbuch „Nachts“. Das beschreibt einen wundersamen Spaziergang durch die nächtliche Vorstellungswelt eines Kindes. Es steht zudem auf der Nominierungsliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2000.
 
Es ist ein Glücksumstand für den gebürtigen Wuppertaler des Jahrgangs 1948, hier mit dem Peter Hammer Verlag zusammengekommen zu sein - ebenso anders herum. Die gemeinsame Arbeit mit Verleger Hermann Schulz hat wunderschöne Bücher hervorgebracht, so „Frau Meier, die Amsel“, „Die Fürchterlichen Fünf“ und eben „Nachts“. Zu Wolf Erlbruchs Lieblingsbüchern zählen „Das Hexeneinmaleins“, „Frau Meier...“ - wobei die Großeltern Pate standen - und als erklärte Lieblingsarbeit das „Neue ABC-Buch“ nach einem Text des Aufklärers Karl Philipp Moritz aus dem Jahr 1790, Erlbruchs zuletzt bei Kunstmann erschienener Band. Eine moralisch-poetische Reise durch Alphabet und Philosophie ist es, ein pädagogisches Elementarbuch zu grundsätzlichen Dingen des Lebens, „zum Lesenlernen, Denkenlernen, Guckenlernen“. Es sind der leise, liebenswerte Humor und die grenzenlose Fantasie bis zur Skurrilität, die Erlbruchs Texte und Bilder - Zeichnungen, Collagen, Montagen gleichermaßen auszeichnen und wertvoll machen, wie auch ihre moralische Qualität. Frühe Vorbilder hat Erlbruch kaum, „das Bücherregal der Eltern gab nicht viel her“. Ein Buch mit farbigen japanischen Holzschnitten aber hat er immer wieder durchgeblättert.


Kinder hat Erlbruch als Adressaten seiner Kunst sehr bald entdeckt, weil sie „alles sehen können“. Und da er auf dem Standpunkt steht, daß Kinder keineswegs infantil sind, arbeitet er mit der Prämisse, sie ernst zu nehmen, Kinder und Kindheit zu „entsüßlichen“. Zudem macht er Kinderbücher - der Erfolg gibt ihm Recht - nicht nur für Kinder, er erarbeitet die Geschichten auch für sich und andere Erwachsene, folgt dem eigenen Wunsch nach Ästhetik und Zeichenkunst. Daß Kinder in einer komplexeren Welt als Erwachsene leben und daß er dies verinnerlicht hat, lassen seine einfühlsamen Texte und Zeichnungen erkennen.
Weil Wolf Erlbruch auch Lehrer ist, spielt sein pädagogischer Anspruch ebenfalls eine Rolle. Seine Schwerpunkte formuliert er so: Er möchte seinen Studenten vermitteln, die eigene Erlebniswelt nicht außer Acht zu lassen. Er möchte Erlebnisfähigkeit wachrütteln und erreichen, daß die Studenten von sich erzählen, anstatt im Medien- und Informationsbrei zu versinken.
 
In punkto Kinderbücher macht Erlbruch jetzt erst einmal Pause. Zum Nachdenken. Hoffentlich kommt er bald wieder.