Grüße aus Sardinien

Die neue wuTh zeigt Michael Frayns Komödie „Der nackte Wahnsinn“

von Frank Becker

v.l.: Anja Kerspe, Knut Heimann, Bina Noss - Foto © Thomas Heiser

Grüße aus Sardinien
 
Die neue wuTh zeigt Michael Frayns Komödie
„Der nackte Wahnsinn“
 
Wir lassen´s jetzt einmal durchlaufen und konzentrieren uns auf die Türen und Sardinen. Das ist das A und O: Türen und Sardinen. Auftritte, Abgänge. Sardinen rein, Sardinen raus. Das ist Komödie. Das ist Theater. Das ist Leben.“
Seit seinem durchschlagenden Erfolg mit der Komödie „Der nackte Wahnsinn“ im Jahr 1982 gehört Michael Frayn zur ersten Garnitur der englischen Bühnenautoren. „Noises Off“ lautet der Originaltitel, der so viel bedeutet wie „Ruhe hinter der Bühne!“. Dort nämlich spielt sich das verzwickte Geschehen ab, das den Theaterbetrieb und seine fehlbaren Ausführenden kräftig persifliert.

Ein Tourneetheater probt eine Boulevardkomödie, ein mit seinen vielen unsinnigen Requisiten, wie etwa etlichen Tellern Sardinen und vielen Zimmertüren die drittklassigen Darsteller leicht überforderndes Stück. Es wäre vielleicht zu schaffen, wenn hinter den Kulissen nicht Eifersüchteleien, Eitelkeiten und gekränkte Gefühle für kräftiges Störfeuer sorgen würden. Dotty Otely (Anja Kerspe) hat mit dem jüngeren, weichen Garry Lejeune (Knut Heimann) ein heimlich belächeltes Verhältnis. Regisseur Lloyd Dallas (Jan Wiesemann) hat aus naheliegenden Gründen mit der etwas einfältigen Brooke Ashton (Bina Noss) eine Rolle besetzt. Die Regieassistentin Poppy Norton Taylor (Inga Maren Schmitz) hat er sitzen lassen. Das arme Ding tut seine Pflicht in stummer Qual. Die tut auch Techniker Tim Allgood (Stefan Konn), Mädchen für alles. Sorgenkind der Truppe ist Selsdon Mowbray (Arp Kunze), der die Jagd nach einer Flasche Whisky einem pünktlichen Auftritt vorzieht. Schließlich sind da noch die rührige Übermutter Belinda Blair (Angela Del Vecchio) und der gekränkte Frederick Fellowes (Jens Kalkhorst), der bei Ausbrüchen von Gewalt zu Nasenbluten neigt. Dazu bekommt er in dem Stück bald reichlich Gelegenheit. Das Chaos ist nicht abzuwenden.
Theater auf dern Theater, zumal im schwierigen Genre des Boulevards, ist eine besondere Anforderung, der sich das freie Theater neue wuTh mit bester Besetzung unter der Regie-Troika Marcel Klett, Rita Knop und Knut Heimann mit außerordentlicher Verve gestellt hat. Da, wo Stadttheater über eine drehbare Bühne verfügen, behelfen sie sich mit dem mobilen Bühnenbild von August Bracke und Jan Wiesemann, um die Illusion des „Backstage“ zu erzeugen. Vorgeführt werden das Schrumpfen eines Blumenstraußes, alle Möglichkeiten der Intrige und der Improvisation auf beiden Ebenen der Handlung, und wie man einen völlig abseitigen Teller Sardinen bis zum wahnsinnig werden einsetzen kann.

Herausgekommen ist in wohlgeordnetem, temporeichen Durcheinander ein komödiantisches Kabinettstück in fabelhafter Leistung. „Der nackte Wahnsinn“ ist nochmal am 29. und 30. Juni, jeweils um 20 Uhr im Forum Maximum im Rex zu sehen.