Purzel, Gott & Co.

Bernd Pfarr – „Komische Zeiten 2020“

von Frank Becker

Komische Zeiten
 
Ein Kalender 2020 zur Erinnerung
an Bernd Pfarr
 
 „Die Besten sterben jung“ – man hat diesen Satz immer wieder im Zusammenhang mit dem frühen Tod von Idolen der Film- und Musikbranche gelesen. Noch immer pilgern Abertausende zum Grab von Jim Morrison in Paris, sehen sich Fans mit zerknüllten Taschentüchern in der Hand James Deans „East of Eden“ und „Rebel Without a Cause“ an, stehen fassungslos vor vor dem Ende von Amy Winehouse hören am 3. Februar die Platten von Buddy Holly, Richie Valens und The Big Bopper.
 
Einer, um den solch ein Aufheben grundsätzlich nicht gemacht wird, der aber mit seinen graphischen Arbeiten und seiner Kürzestprosa zu den größten Zeichnern, intelligentesten Cartoonisten und humorvollsten Alltagsphilosophen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts gehört, ist Bernd Pfarr (1958-2004) – wiewohl eine Fülle von Buchveröffentlichungen sein grandioses Werk für die Nachwelt konserviert. Dafür, daß man Bernd Pfarrs Vermächtnis Tag für Tag vor Augen hat, sorgt ein Heye-Kalender aus dem Athesia Kalender Verlag, der 2020 Monat für Monat mit großformatigen Illustrationen an den genialen Künstler erinnert.
Eine repräsentative Auswahl aus dem enormen Œuvre Bernd Pfarrs zu treffen, muß sich als unerhört schwer erweisen. Dennoch haben die Herausgeber des Kalenders es gewagt und 12 exemplarische Blätter zusammengestellt. Das scheint gelungen und Pfarr angemessen getan.
Es wird auch hier wieder deutlich, daß man Bernd Pfarr nicht irgendwo festmachen kann, schon gar nicht als Comic-Künstler, hat er doch auch Dulle, Gott und Hektor zur Serienreife gebracht und dem Neger im Cartoon artig Platz eingeräumt. Vor allem aber prägt Sondermann (nicht in diesem Kalender, aber vielleicht ja im nächsten Jahr) liebenswert eigenwillig die verschobene Welt, in die Bernd Pfarr uns so gerne entführt hat.
Pfarr beherrschte die Gratwanderung zwischen Albernheit und höherer Einsicht – und er muß verdammt viel Spaß gehabt haben als er Bilder wie „Bei Dynamit-Müller hatte sich Gott mit den notwendigen Urtensilien für den Weltuntergang versorgt“, „Wahrscheinlich hätte Bergsteiger Alois Imboden nicht für verschollen erklärt werden müssen, hätte er den frisch gefeudelten K2 mit sauberen Schuhen betreten“ und „Als Purzel gewahr  wurde, wie wenig er im Leben bislang gemäß Kants kategorischem Imperativ gehandelt hatte, überkam ihn großes Wehklagen“ malte.
 

© Bernd Pfarr

Pfarr ist in jedem einzelnen seiner Bilder ein tiefsinniger Philosoph, lockt er auch mit sanfter Ironie unwiderstehlich das Lachen aus dem Betrachter heraus. Bei aller ansteckenden Heiterkeit ruhen in seinen Bildern und Geschichten auch Menschenliebe, eine tiefe Melancholie und der Sinn für das Skurrile in Situationen und Menschen. Er vermochte das retardierende Moment auf den Punkt zu bringen, beherrschte die Gratwanderung zwischen Albernheit und höherer Einsicht – und er muß verdammt viel Spaß gehabt haben als er Bilder wie „Um schon vorab ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich wohl ungefähr der zarte Bauch einer zukünftigen Geliebten anfühlen könnte, strich Bertram mit der Hand sanft über sein Sofakissen“ malte.
 
Haben Sie jemals jemanden getroffen, der/die beim Betrachten eines Cartoons von Bernd Pfarr, zumal einer seiner Sondermann-Geschichten nicht von entzücktem Lächeln ergriffen worden wäre? Falls ja – streichen Sie diese Person umgehend aus Ihrem Adressbuch. Sie hat keinen Humor. Und wer will so jemanden schon kennen.


© Bernd Pfarr

Bernd Pfarr – „Komische Zeiten 2020“
Monatskalender
© 2019 Athesia Kalender Verlag, 14 Seiten, Spiralbindung, 34 x 44 cm  - ISBN: 978-3-8401-7465-0
16,99 €
Weitere Informationen: www.heye-kalender.de