Ein leichtfüßiges Märchen

„Cleo“ von Erik Schmitt

von Renate Wagner

Cleo
(Deutschland /2019)

Regie: Erik Schmitt
Mit: Marleen Lohse / Gwendolyn Göbel (Cleo erwachsen und als Kind) - Jeremy Mockridge u.a.
 
Ausgerechnet die Berliner, die als besonders scharfzüngig, kaltblütig treffsicher und gnadenlos „schnauzig“ gelten, sollen ein Geschöpf wie Cleo hervorgebracht haben? Nun, sie ist auch in einem magischen Moment geboren worden – genau, als die Berliner Mauer fiel. Die Mutter starb bei der Geburt, der Vater (Fabian Busch), der für seinen phantasievollen Rotschopf jegliches Verständnis aufbrachte, ist dann gestorben, als sie zehn war. Seither sieht die erwachsene Cleo traurig in die Welt und tut eigentlich nur so, als ob es ihr gut ginge.
Man fragt sich, welche Art von Film Regisseur Erik Schmitt da auf die Leinwand gebracht hat. Fantasy? Sicher. Märchen, am Ende gar für Kinder? Auch, das ist nun einmal so, wenn es um Schatzsuche geht. Philosophische Fragen über das Leben? Na unbedingt! Romanze? Keine Frage, auch das. Bißchen viel auf einmal? Schon. Aber gerade noch die Kurve gekriegt…
Man muß sich darauf einlassen, denn ein nüchterner Mensch wird nicht so einfach glauben, daß Cleo in die Vergangenheit schauen kann. Da sitzen dann auf einer Berliner Bank – wie einst vor vielen, vielen Jahrzehnten – Albert Einstein und Max Planck zusammen (wie Halogen-Figuren in Schwarz / Weiß / Grau) und plaudern nicht nur miteinander, sondern auch mit Cleo. Die von berufener Seite her wissen will, ob man eigentlich in die Vergangenheit reisen und dann die Zukunft ändern kann? (Schließlich möchte sie so gern ihre Mutter leben lassen…) Und da soll es doch eine Uhr geben, mit der man die Zeit in beliebige Richtung drehen kann, die einst die Brüder Sass…
 
Ja, da ist man tief in der Vergangenheit Berlins (auch mit eingeschnittenen Wochenschau-Szenen, die Historisches beschwören), bei jenem legendären Brüderpaar Sass, die im Berlin der Zwanziger Jahre spektakuläre Einbrüche begingen. Und deren „Schatz“ immer noch in der Tiefe der Stadt ruhen soll.
Natürlich ist Cleo, die widerstrebende Fremdenführerin (schließlich wird sie von den Bildern der Vergangenheit immer wieder dabei gestört, ihr Wissen an die Touristen anzubringen), nicht die einzige Schatzsucherin. Paul (Jeremy Mockridge) ist auf derselben Spur. Und gemeinsam – nur als Partner, nichts sonst, darauf besteht Cleo – begeben sie sich auf die kindliche Entdeckungsreise… Und da Cleo, wie man nun schon weiß, in die Vergangenheit sieht, kann sie die Brüder Sass auch gleich persönlich nach Schatzkarte und Schatz fragen.
Aber was dann? Selbst wenn Cleo die magische Uhr finden sollte, die eine Zeitreise ermöglicht, merkt sie, daß sie mit dem Gedankenexperiment (nicht ihre Mutter, sondern sie, das Baby, soll bei der Geburt sterben) nicht weiterkommt, denn dann gäbe es sie nicht? In einer wunderschönen Szene, wo die kleine Cleo und die erwachsene Cleo da versuchen, gedanklich ins Reine zu kommen, versöhnt man sich mit all den inhaltlichen Unebenheiten und Verrücktheiten dieses Films.
Der ja auch nur als das leichtfüßige Märchen gemeint ist, das Erik Schmitt hier anbietet: Er mixt für Erwachsene, die sich ein bißchen in Geschichte auskennen, Berliner Vergangenheit (wäre doch wirklich schön, wenn man die legendäre Antia Berber tanzen sehen und mit der Dietrich plaudern könnte?) mit verwirrender Schatzsuche, tiefe Lebensfragen allgemein (dergleichen wird halt unweigerlich ein bißchen banal) mit Fantasy-Purzelbäumen – und baut dabei auf die Poesie seiner Hauptdarstellerinnen: Gwendolyn Göbel als die kleine Cleo und Marleen Lohse als der erwachsene, hinreißende Rotschopf machen dieses etwas wirre (zu wirre) Gebräu doch noch zum Genuß.
 
Man versteht, daß der Film viel Lob geerntet hat, weil sich die Deutschen mit der Kamera ganz selten so leichtfüßig bewegen. Und wenn es am Ende (wie auch anders) doch ein Happyend gibt und Cleo einer Schar von Kindern von der Schatzsuche erzählt, weiß man, was gemeint ist. Wer, wie Max Reinhardt es einmal formulierte, seine Kindheit in die Tasche gesteckt hat, der wird hier schon mitgehen. Auch wenn es rund um „Öffne Dein Herz“ gelegentlich arg schmalzt.
 
Vorschau     
 
Renate Wagner