Schatten der Vergangenheit

Christian Kärger – „Dinge, die mir gehören“

von Sabine Kaufmann

Schatten der Vergangenheit
 
Der erste Fall für Paul Simon und Abel Lockhardt
 
Haben Sie schon einmal einen Krimi in die Hand genommen und ihn, obwohl er mit 446 Seiten nicht gerade schmächtig ist, in einem Zug ausgelesen? Mir ging es mit „Dinge, die mir gehören“ von Christian Kärger so. Dem Autor ist mit flüssiger Sprache trotz gelegentlicher logischer Brüche und weit hergeholter aberwitziger Konstruktionen ein Sog gelungen, der einen, hat man erst einmal angefangen, nicht mehr losläßt. Gut, zum Mittagessen habe ich das Buch kurz beiseite gelegt, mich aber, kaum war der Teller abgespült, gleich weiter durchgefressen – und wurde trotz diverser inhaltlicher Mängel blendend unterhalten.
 
Womit steigen Paul Simon und Abel Lockhardt in Kärgers Münchner Krimiszene ein: Ein gesuchter Kindesentführer wird auf einem abgelegenen Hof am Stadtrand Münchens nach einem anonymen Hinweis aufgefunden – nackt an den Füßen aufgehängt und mit durchgeschnittener Kehle ausgeblutet. Wenig später geht es einem skrupellosen Päderasten in dessen Penthouse ebenso. Und bevor Paul Simon und Abel Lockhardt irgend etwas Konkretes haben, um die Spur des Killers aufnehmen können, schlägt dieser erneut und noch brutaler zu. Simon stürzt in ein schier unlösbares Dilemma, denn er findet unübersehbare Hinweise darauf, daß  der Täter letztenendes ihn im Visier hat, sogar in seiner Wohnung gewesen sein muß - an den Tatorten findet er unauffällig plazierte Gegenstände, die aus seiner Wohnung stammen. Er begegnet - eine Rückblende erklärt es - zum zweiten Mal dem absolut Bösen, das in der Lage ist, ihn seelisch zu zerstören. Simon verschweigt das den Kollegen der Mordkommission, aber auch seiner Frau, unterschlägt die Beweismittel und begibt sich auf eigene Ermittlungen. Krimi-Leser und -Seher hassen solche Ausritte, in denen sich der angeblich erfahrene Kriminalist so dumm und unprofessionell verhält, daß er damit sich, seine Kollegen, seine Familie und das ganze Ermittlungsverfahren völlig unverantwortlich in Gefahr bringt. Das soll zusätzliche Spannung erzeugen, ist aber unnötig und eigentlich nur ärgerlich.
Der Fall wird, na klar, in großem Showdown gelöst und Simon quittiert, wie er es seiner Frau hoch und heilig versprochen hat, den Dienst. Bin mal gespannt, wie der Autor es hinbekommt, ihn für den nächsten Fall (erscheint schon im September) zu reaktivieren, den Wortbruch des Ex-Hauptkommissars seiner Frau und der geliebten Tochter gegenüber zu begründen.
 
Christian Kärger hat für die Reihe, deren Startschuß dieser Roman ist, mit geschickter Hand Personal aufgebaut, dem man unbedingt bei der Lösung weiterer Kriminalfälle über die Schulter sehen möchte: den feinfühligen Kriminalhauptkommissar Paul Simon, der voller menschlicher Fehler und Alpträume steckt, seinen handfesten Partner Abel Lockhardt, den exzellenten jungen Forensiker Dr. Franke, den unbeirrbaren Kriminaltechniker Mehlich, den fairen Kriminaldirektor Schubert und als Kernfigur in spe die zuverlässige Kommissarin Sandra Kleinert. Vielleicht hat Kärger bei diesem Debüt, was die arg konstruierte Story und die persönliche Verflechtung seiner Hauptfigur Paul Simon angeht, reichlich zu dick aufgetragen - manches Mal ist weniger mehr -, doch es liest sich dennoch weg wie geschnitten Brot. Das zeigt: Er kanns. Die recht platte Schlußpointe hätt´s auch nicht gebraucht, aber wir verzeihen sie dem Autor, der ansonsten spannend erzählt.
 
Christian Kärger – „Dinge, die mir gehören“
Paul Simon ermittelt (1) - Thriller
Originalausgabe
© 2019 Penguin, Broschur, 446 Seiten  -  ISBN: 978-3-328-10093-5
10,- €
Weitere Informationen: www.penguin-verlag.de