Bernd Gieseking ist neuer Träger des Peter Hille-Preises

Heute wird ihm der Nieheimer Schuhu verliehen - Eine Lobrede

von Erwin Grosche

Berd Gieseking - Foto © Thomas Rosenthal
Bernd Gieseking
ist neuer Träger des
Peter Hille-Preises
 
Heute wird ihm der Nieheimer Schuhu verliehen
 
Eine Lobrede von Erwin Grosche
 
Ich hatte mal das Glück, mit Bernd Gieseking eine Garderobe teilen zu dürfen. Ich weiß, daß ich im Umgang mit anderen Künstlern als schwierig gelte und manchen Kollegen es auch stört, daß ich vor Auftritten Tuba spielen muß, um meine Unruhe einigermaßen in den Griff zu kriegen. Wie es unter Künstlern Sitte ist, fanden wir uns vier Stunden vor dem Auftritt in der Garderobe ein, um zu klären, wer den Schminkplatz am Fenster bekommen sollte, und wer später den Raum aufzuräumen hatte. Da ich mich ungern in Anwesenheit anderer Männer ausziehe, um in meine Bühnenklamotten zu schlüpfen, wartete ich geduldig, bis Bernd Gieseking damit anfing. Ich sah dabei, daß er ein kleines rosa Handtuch ausbreitete, um nach dem Abstreifen der Schuhe darauf zu steigen, damit er nicht auf dem nackten schmutzigen Boden der Garderobe zu stehen brauchte. Ich traute meinen großen Augen nicht. Es war dieses Ausziehritual, dieses süße Bühnenhandtuch, dieses kleine Stück Geborgenheit, welches mich sofort für Bernd Gieseking einnahm. Ich selbst stehe immer noch mit meinen Strümpfen auf dem Boden, den Gott mir erschaffen hat, und schütze sie und mich, indem ich versuche, leicht über dem Boden zu schweben. Aber dieser Bernd Gieseking, dieser mit allen Wassern gewaschene Umziehprofi, zeigte mir Alternativen auf, die einen nicht zwangen, seinen Gott unnötig in die Pflicht zu nehmen. Das hat mich gerührt. Das hat mich überzeugt. Wie erschüttert war ich dann, als Bernd Gieseking mir anbot, sein Handtuch ebenfalls zu nutzen, wenn ich die Bühnenhose zu meinem Bühnenanzug anziehen wollte. Welch eine große brüderliche Geste. Ich war gerade am Tuba spielen und konnte deshalb meine Erregung leicht in die Musikimprovisation einfließen lassen. Als mein geschätzter Kollege die Garderobe verlassen hatte, lag sein kleines rosa Handtuch immer noch auf dem Boden, um mir zu Diensten zu sein. Ich überlegte lange, ob ich dieses Angebot von Bernd Gieseking annehmen wollte, ja annehmen durfte. Ich weiß, wie eigen einige Künstlerkollegen sein können und wie viele Erinnerungen in diesem ganzen Drumherum verborgen liegt. Plötzlich stand ich aber neben diesem kleinen Handtuch von Bernd Gieseking, zog meine Schuhe aus, und ließ mich darauf ein, ja, ich stellte mich darauf - und hob ab. Was nun passierte, war zugleich schön und erschreckend. Ich, auf diesem kleinen rosa Handtuch, fühlte mich plötzlich, als wäre ich Bernd Gieseking. Ich spürte, wie großzügig und wie „ein wenig aus der Welt gefallen“ er war. Und in diesem Augenblick wäre ich gerne Bernd Gieseking geworden, aber dieser Platz ist natürlich besetzt. Es kann keinen besseren Bernd Gieseking geben als Bernd Gieseking. Bernd Gieseking ist darin der Beste.
 
Lieber Bernd, ich gratuliere Dir zum Schuhu,

Dein Erwin