Weitgehend verschenkt

„Hot Air“ von Frank Coraci

von Renate Wagner

Hot Air
USA / 2019

Regie: Frank Coraci
Mit: Steve Coogan, Neve Campbell, Taylor Russell u.a.
 
Eben erst ist Emma Thompson als sehr unangenehmes amerikanisches Medien-Monster auf der Leinwand erschienen, nun bietet Steve Coogan als Lionel Macomb eine ähnliche Studie an. Er ist allerdings ein Radiomann und ein superscharfer dazu, offen und schamlos rechtsradikal, einer, den Donald Trump loben und anhören würde, gäbe es ihn wirklich (kein Zweifel, daß genügend von seinesgleichen in USA vor Radiomikrophonen sitzen).
Coogan, der jetzt auf Charakterrollen setzt (in „Stan & Ollie“ war er ein herausragend verbiesterter Stan Laurel), braucht in diesem Film von Frank Coraci (bisher meist mit billigen Komödien unterwegs, hier ein bißchen griffiger) nicht lange, um einen überzeugend miesen Kerl hinzustellen. Man wundert sich nur, daß dieser Lionel in Gestalt von Valerie (überzeugende Herzlichkeit und Menschlichkeit: Neve Campbell) eine wirklich liebenswerte Partnerin hat.
 
Nun hat Lionel Macomb das klassische Problem, daß er nicht jünger wird und daß die Konkurrenz mit verlogenem Lächeln und noch verlogeneren Sprüchen gnadenlos nachdrückt. Aber so richtig turbulent wird es, als ein farbiger Teenager sich mit einem miesen Trick in Lionels Appartement schwindelt und ihn vor die Tatsache stellt, seine Nichte zu sein.
Sie ist es wirklich, aber das rührt Lionel nicht im geringsten, vor allem, da er sich nur vorstellen kann, daß sie Geld von ihm will. Außerdem hat er weder mit ihrer Mutter, seiner Schwester, noch mit der eigenen Mutter je etwas anfangen können. Nach und nach stellt er sich als schwer familiengeschädigt heraus, war er doch einmal ein „white trash scared little kid“, das ohne Hilfe seinen Weg machen mußte. Da kann man schon hart und kalt werden…
Die 16jährige Temperamentsbombe Tess (Taylor Russell) läßt sich allerdings nicht so leicht abwimmeln, setzt erfolgreich darauf, daß auch der hartherzigste Onkel sein eigenes Fleisch und Blut nicht auf die Straße schickt, zumal sie sich ein ziemlich gescheites, redegewandtes Geschöpf herausstellt – und in Lionels Gefährtin Valerie eine starke Unterstützerin hat.
Die Dramaturgie einer Geschichte, die so angelegt ist, kann man mühelos weiter erzählen, und im großen und ganzen stimmt es auch. Der bösartige und scharfzüngige Lionel (immerhin versteht man, daß er von Tess verlangt, sich ordentlich zu benehmen) wird zwar nicht allzu freundlich und sanft – aber wenn Tess in unerschütterlicher Loyalität wieder zu ihrer kurzfristig trocken gelegten, grundsätzlich alkoholkranken Mutter zurück geht, ist er gebührend beeindruckt und sogar leicht gerührt. Wenn man nicht an das Gute im Menschen glaubt – und es vom Drehbuch dermaßen hingeknallt bekommt…
 
Ein bißchen Grimmigkeit gibt es, wenn der Konkurrent eine eigene Sendung bekommt, ihn gesprächsweise hereinlegt und Lionel dem amerikanischen Volk eine wahre Brandrede über ihre schlechten Eigenschaften hält, aber sonst schleicht sich die Sentimentalität unangenehm ins Geschehen. Und wenn Steve Coogan nicht wäre, wüßte man wenig mit dem Film anzufangen, der sein eigentlich interessantes Thema – wie ein Mann seine rechtsradikalen Ansichten verteidigt und selbst rationalisiert – weitgehend verschenkt.
 
 
Renate Wagner