Vom Abenteuer des Reisens

Die Erfindung des Pauschaltourismus durch Thomas Cook

von Frank Becker

 

         

 

Jörn W. Mundt - Thomas Cook, Pionier des Tourismus
© 2014 UVK Verlagsgesellschaft, 221 Seiten, flexibler Festeinband, Lesebändchen, synoptische Zeittafel, wenige Abb. - ISBN 978-3-86765-496-9
19,99 €
Mehr Informationen: www.uvk.de
  Jemima Morrell - Miss Jemimas Journal - Eine Reise durch die Alpen
© 2014 Rogner & Bernhard, gebunden, Schutzumschlag, Lesebändchen, Anmerkungen, Deutsch von Heike Steffen - ISBN 978-3-95403-050-7
17,95 €

Mehr Informationen: www.rogner-bernhard.de


Mit Thomas Cook in die Schweiz und die Welt
 
Zwei interessante Bücher über den Reisepionier
 
 
„Es ist ein großer Irrtum zu glauben, daß das Reisen in der Schweiz eine so schwierige Angelegenheit sei,
daß es nicht von Damen oder von Personen unternommen werden könne,
die nicht außerordentliche starke physische oder psychische Kräfte hätten.“

(Thomas Cook)
 
Miss Jemimas Journal
 
Im Juni 1863 startet im englischen Yorkshire eine für diese Zeit ungewöhnliche Reisegruppe aus vier jungen Männern und vier jungen Frauen, die sich zum „United Alpine Club Junior“ zusammengefunden hatten, zu einer Reise mit dem Ziel Schweizer Alpen. Von London aus geht es zunächst per Zug und Dampfer über Frankreich mit den Stationen Dieppe, Rouen, Paris, Sens, Dijon und Macon ins schweizerische Genf. Per Postkutsche erreichen die Reisenden von dort aus Chamonix, wo das eigentliche Abenteuer der Reise beginnt: ein kurzes Stück wieder mit der Bahn, dann aber mit der Postkutsche, zu Fuß und mit Maultieren in die westlichen und die Zentral-Alpen, übers Wallis ins Berner Oberland. Man kommt u.a. nach Kandersteg, Spiez, Interlaken, Brienz und Küssnacht, bevor die Reise von Luzern über Olten und Neuchatel wieder zurück nach Paris geht. Führer und Veranstalter war kein Geringerer als der oft als „Erfinder der Pauschalreise“ bezeichnete Thomas Cook. Drei Wochen dauert die anstrengende Reise in unzweckmäßiger Kleidung, vom 26. Juni bis 16. Juli 1863. Daß wir Einzelheiten über die Tour, die Teilnehmer und die besuchten Orte und die erlittenen Strapazen – aber auch über den Luxus, der an einigen Stationen geboten wurde, erfahren können, verdanken wir dem Umstand, daß eine Frau, die damals Die 31-jährige Jemima Morrell über diese abenteuerliche Reise ein höchst unterhaltsames Tagebuch führte, das 1963 wiederentdeckt und nun zum ersten Mal von Heike Steffen ins Deutsche übersetzt wurde.
Mir kamen Reise und Verfasserin trotz diverser im Internet zu findender Artikel bei der ersten, sehr kurzweiligen Lektüre ein wenig wie eine Mystifikation vor, doch eine weitere aktuelle Neuerscheinung konnte mich schließlich (dortselbst S. 89) überzeugen:
 
Thomas Cook – Pionier des Tourismus
 
Thomas Cook wurde in einfachen Verhältnissen 1808 in Derbyshire geboren. Sein Vater starb früh, er musste mit zehn Jahren die Schule verlassen und Arbeit aufnehmen. Seine enge Bindung an die baptistische Kirche führte dazu, daß er schließlich baptistischer Prediger wurde und als entschiedener Temperenzler den Kampf gegen den weilt verbreiteten Alkoholmissbrauch aufnahm. Das führte nicht nur dazu, daß er Temperenzgesellschaften gründete, sondern auch zu ersten organisierten Massenreisen per Zug in England, um durch perfekt organisierte vielen Menschen eine kurze Flucht aus dem Alltag, der durch harte Arbeit, beengte Wohnverhältnisse und allzu oft auch durch Alkohol geprägt war, zu ermöglichen.
An der ersten Zugreise für Arbeiter am 5. Juli 1841 nehmen 500 Menschen in Waggons ohne Sitze teil – allerdings bekommen sie für einen Shilling die Hin- und Rückfahrt, ein Schinkenbrot und eine Tasse Tee. Bald organisiert Cook Reisen durchs ganze Land, nach Schottland (1846) und Wales, danach öffnet sich auch der Kontinent für die von ihm organisierten Reisen. Auf mehrere organisierte Paris-Reisen folgen die 1863 Schweiz (siehe oben), 1864 Italien und schon 1865/66 die USA und Kanada, 1869 Ägypten und Palästina.Daß er allerdings neben Reisen für Künstler, Politiker und Roayals auch Truppentransporte organisierte, gibt dem Thema ein wenig Hautgout
Interessant ist, daß Cook alle seine Reiseangebote zuvor als Individualreisender persönlich ausprobierte, will sagen, die Reiseziele selber aus- und besuchte, bevor er sie Kunden anbot. Anfangs benutzte er wohl gerne die deutschen Baedeker-Reiseführer als Quelle und war häufig auch bei den Gruppenreisen als Leiter dabei. Auch für den reiseerfahrenen Pionier war es eine einzigartige Großtat, im Jahr 1872 die erste Gruppen-Weltreise zu organisieren – natürlich war Thomas Cook selbst dabei. Am 26. September 1872 ging es in westlicher Richtung mit der „Oceanic“ der White Star Line in Richtung Westen los, Ziel New York. Quer durch die USA, von San Francisco über den Pazifik nach Japan, China und Singapur weiter nach Indien, schließlich Ägypten, Palästina, Syrien, Libanon und die Türkei kam die Gesellschaft nach 222 Tagen wieder in London an. Natürlich verbinden sich seitdem Weltreisen mit dem Namen Cook.
Jörn W. Mundt hat die Geschichte des Reiseunternehmers Thomas Cook sachlich, aber auch unterhaltsam mit vielen interessanten historischen Details aufgezeichnet. Es gibt im Anhang eine synoptische Übersicht über Cooks Leben und die parallelen Weltereignisse, einen umfangreichen, aber umständlichen Anmerkungs-Apparat, leider aber keinen Namens- bzw. Städt- oder Länderindex.

Lesen Sie zum Thema auch in den Musenblättern:  musenblaetter.de/tigges
 
Informationen:  www.uvk.de  -  www.rogner-bernhard.de