50 Jahre Kunst in der Sparkasse

„Kunst in Wuppertal – welch ein Reichtum!“

von Anne-Kathrin Reif


50 Jahre Kunst in der Sparkasse
 
Wuppertals großes Geldinstitut blickt mit einem Bildband
auf fünf Jahrzehnte erfolgreichen Kunst-Mäzenatentums zurück
 
Die Kulturförderung ist in den Statuten der Stadtsparkasse Wuppertal festgeschrieben. Die daraus resultierende Förderung von Künstlern, Initiativen, Theatern u.a.m. hat über die Jahre manchem Projekt auf die Beine geholfen. Die Ausstellungen, die regelmäßig im großen gesellschaftlichen Rahmen in der Schalterhalle der Sparkassen-Zentrale am Islandufer präsentiert werden, haben sich zu einem der beliebtesten Treffpunkte für die Kulturwelt Wuppertals und über die lokalen Grenzen hinaus entwickelt.
Die Kulturjournalistin Dr. Anne-Kathrin Reif hat in einem Beitrag für das Kulturmagazin „die beste zeit“ die Geschichte der Kunst in der Sparkasse umrissen und die Künstlerinnen der aktuellen Ausstellung vorgestellt.
 
 
„Kunst in Wuppertal – welch ein Reichtum!“
 
Die Stadtsparkasse Wuppertal feiert „50 Jahre Kunst in der Sparkasse“
und zeigt bis 6. Dezember Arbeiten von Susanne Kessler und Guda Koster.
 
Die Kunst und das Geld – das ist nun wahrlich ein weites Feld. Vielleicht denkt man als erstes an die prekäre Lage vieler Künstlerinnen und Künstler, die von ihrer Profession mehr schlecht als recht (oder gar nicht) leben können, oder im Gegenteil an die Stars der Branche, deren Werke zu Phantasiepreisen gehandelt werden. Vielleicht denkt man auch über Kunst als Geldanlage nach und kalkuliert den erwarteten Wertzuwachs. Wenn sich ein Geldinstitut der Kunst widmet, liegt dieses Thema zumindest nahe. Doch Gunther Wölfges, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Wuppertal, winkt ab: „Natürlich beraten wir unsere Kunden auch in diesem Bereich“, sagt er, „was unsere eigene Sammlung angeht, so spielt dieser Aspekt für uns aber keine Rolle.“
Die beachtliche, über 3.000 Kunstwerke umfassende Sammlung der Stadtsparkasse Wuppertal nämlich speist sich vor allem aus Ankäufen der im eigenen Haus ausgerichteten Ausstellungen. Und die haben eine klare Ausrichtung auf Wuppertaler Künstlerinnen und Künstler oder solche, die zumindest einen engen Bezug zur Stadt haben. Diese Politik pflegt die Stadtsparkasse Wuppertal seit nunmehr einem halben Jahrhundert in ihrer Hauptgeschäftstelle am Islandufer mit vielfältigen, abwechslungsreichen Einzel- und Gruppenausstellungen auf hohem künstlerischen Niveau. Provinziell? Mitnichten.
 
„50 Jahre Kunst in der Stadtsparkasse“ feiert das Institut in diesem und im nächsten Jahr (mit leichter Verspätung) gleich mit mehreren großen Aktionen. Unter dem Titel „Kunst in Wuppertal: Welch ein Reichtum“ erschien soeben eine über 170 Seiten starke Chronik und Beschreibung der Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit der vergangenen 50 Jahre. Sie enthält eine komplette Chronik aller Ausstellungen seit 1968 sowie einen Ausschnitt der Kunstsammlung der Sparkasse „vor Ort“. Gemeint sind Bilder vom Leben mit der Kunst in Büros, Geschäftsstellen und dem Sparkassenumfeld – denn die Sammlung soll nicht im Depot vor sich hindämmern, sondern einen Platz im Alltag von Angestellten und Kunden haben und deren Leben bereichern. „Die Idee ist, daß uns die Kunst im Alltag begegnet. Kunst im Umfeld bewegt die Menschen, spricht sie emotional an. Ein Bild, eine Skulptur tritt in Dialog und bereichert das tägliche Leben in unserem Arbeitsumfeld. Das gilt für unsere Mitarbeitenden wie auch für unsere Kunden. Deswegen halte ich den Kontakt mit Kunst für ungemein wichtig“, betont Gunther Wölfges, der auch privat ein großes Faible für die Kunst hat. Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden über die Kunstpolitik der Sparkasse und ihr Engagement für die Kultur in Wuppertal findet sich ebenfalls in der Chronik, dazu Berichte über Atelierbesuche bei Wuppertaler Künstlerinnen und Künstlern und eine Reihe von vertiefenden Essays.
 
„50 Jahre Kunst in der Sparkasse“ wird natürlich auch mit einer Ausstellung in der Hauptgeschäftsstelle am Islandufer gefeiert. Nun könnte man erwarten, daß die in der Art einer Überblicksschau Werke aus einem halben Jahrhundert versammeln wird – doch das ist nicht der Fall. Vielmehr präsentiert sie mit Susanne Kessler und Guda Kosta zwei spannende, ganz unterschiedlich arbeitende Künstlerinnen – natürlich mit Wuppertalbezug.
Eine repräsentative Ausstellung auf der Grundlage der von der Sparkasse Wuppertal gesammelten Kunst, mithin die eigentliche „Jubiläumsausstellung“, wird es aber außerdem geben: Sie wird vom 26. April bis Juni 2020 im Von der Heydt-Museum zu sehen sein, ergänzt mit Werken aus dem Bestand des Museums. Dr. Gerhard Finckh, ehemaliger Direktor des Von der Heydt-Museum und seit Mai 2019 im Ruhestand, wird dafür an seinen immer noch vakanten Arbeitsplatz zurückkehren und die Schau kuratieren.


Guda Koster, Living in a box

Die 139. Ausstellung in der Stadtsparkasse, die am 9. Oktober 2019 eröffnet wird, zeigt unter dem Titel „Kontinuum“ nun also Arbeiten von Susanne Kessler und von Guda Kosta und setzt damit die bisherige Ausstellungspolitik der Stadtsparkasse nahtlos fort.
In Wuppertal geboren und international arbeitend: Susanne Kessler ist eine von jenen Künstlern, welche die Kunst in Wuppertal mit der weiten Welt verbinden. Ein Aspekt unter mehreren, den auch Peter Klassen bei der Auswahl im Blick hatte: „Beide bringen den Aspekt mit, über den Tellerrand hinaus zu schauen, gerade, weil die Kunst in der Sparkasse sich ja im Wesentlichen auf Künstler und Kunst in diese Region bezieht.
Überall auf der Welt sind ihre vielbeachteten Ausstellungen und Projekte zu sehen. Aber es besteht auch eine ständige Verbindung nach Wuppertal“, erklärt Klassen, der seit 2010 verantwortlich für die Kunstausstellungen in der Sparkasse ist.
 
Susanne Kessler, geboren 1955 in Wuppertal, zog es schon früh in die Welt hinaus. Sie studierte an der Hochschule der Künste in Berlin, am Royal College of Art in London, ging mit einem Stipendium nach Paris und war Artist in Residence in New Dehli und weiteren Orten in Indien, in Pakistan, Iran, und USA. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet sie nunmehr in Berlin und Rom. Die rund 70 Einzel- und Gruppenausstellungen in ihrer Vita weisen Orte in der ganzen Welt auf – aber immer wieder auch in Wuppertal. Darunter mehrfach die Galerie Epikur (zuletzt 2009) und 1994 ihre Einzelausstellung unter dem Titel „Man müßte wieder Tempel bauen“ im Von der Heydt-Museum. Wer Ausstellungen von ihr gesehen hat, erinnert sich sicherlich an die phantastischen, ebenso raumgreifenden wie fragilen Installationen, mit denen die Künstlerin international bekannt geworden ist.
 

Susanne Kessler, Lebensbibliothek - Foto: Sparkasse


Nicht raumgreifend, sondern ganz nach innen gewandt ist dagegen ihr faszinierendes Projekt der „Lebensbibliothek“: Seit 1982 entstehen neben ihren anderen Arbeiten Bücher oder besser Buchobjekte mit Ideen, Skizzen, Zeichnungen, Collagen. Viele enthalten den Kern von Arbeiten, welche die Künstlerin oft erst Jahre später umsetzt. Jedes kann aber genauso als künstlerisches Objekt für sich stehen. In einigen Büchern experimentiert Kessler mit Ausdrucksformen, andere sind eine Art künstlerisches Tagebuch, in denen ihr Erleben der örtlichen Umgebung oder tiefgreifender persönlicher Erfahrungen wie die Geburt ihres Sohnes ihren Niederschlag finden. Mit dem „Buch der Liebe“ beginnt 1982 das Lebensprojekt, „Odissea“ ist das vorerst letzte, 2018 bei einem Artist in Residence-Aufenthalt auf der Insel Föhr entstanden. Dazwischen liegen 2836 gestaltete Seiten, verborgen zwischen Buchdeckeln, verschlossen und in schützende Lederhüllen eingeschlagen, intim und kostbar. Für die Ausstellung in der Sparkasse erarbeitet Susanne Kessler eine Installation, bei der die Bücher der „Lebensbibliothek“ im Mittelpunkt stehen und erstmals vollständig geöffnet werden. In Form einer digitalen Präsentation wird der gesamte Inhalt der Bücher Seite um Seite für die Betrachtenden sichtbar werden.
„Susanne Kessler hat schon lange nicht mehr in der Sparkasse ausgestellt, war aber immer in der Sammlung präsent“, erklärt Peter Klassen. Im Projekt ihrer „Lebensbibliothek“ sieht er eine Verbindung zum Kunstverständnis der Sparkasse: „Das kann man auch über die lange Zeit der Reihe ,Kunst in der Sparkasse’ sagen, daß man sich neben dem ,Kerngeschäft’ mit dem Geld auch noch mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt hat, also am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Wuppertal teilnehmen wollte“, sagt Klassen. Ein Gedanke, der sich auch im Ausstellungstitel „Kontinuum“ ausdrückt.
 

Guda Koster, Decadente leven 2015

Die nach innen gewandte Installation der Bücher und die schützende und zugleich offenlegende äußere Hülle der Kleidung: „Guda Kostas Arbeit ist für mich der Gegensatz zum versteckten ,Inneren’ von Susanne Kesslers Büchern“, erläutert Klassen, warum seine Wahl für die Ausstellung auf die Niederländerin fiel. „Und sie bringt eine besondere Art von Humor und Leichtigkeit mit in die Kunst, was wir hier in Wuppertal gut gebrauchen können“, ergänzt er. Die Amsterdamerin hat durch gemeinsame Aktionen und Ausstellungen zusammen mit Wuppertaler Künstlern eine enge Beziehung zur Stadt; war auch schon einmal bei der Performancenacht zu Gast in der Sparkasse. Während der u.a. von der Stadtsparkasse geförderten Aktion „moving artbox“, bei der die Wuppertaler Künstlergruppe 6PACK ein Jahr lang eine „Kunstkiste“ auf Reisen schickte und Künstlerinnen und Künstler in ganz Europa einlud, auf die reisende Kiste zu reagieren, beherbergte sie die „Kunstkiste“ in Amsterdam.
Guda Koster ist seit mehr als 20 Jahren als Künstlerin tätig, ihre Werke waren unter anderem in den Niederlanden, Deutschland, Österreich und China zu sehen. Ihre
Skulpturen sind nicht aus Holz, Stein oder anderen festen Werkstoffen – sie schafft ihre Kunstwerke oft aus menschlichen Körpern: lebendige Skulpturen. Dafür benutzt sie ungewöhnliche Kleidungsstücke, die sie aus vorgefundenen und industriell hergestellten Textilien selbst näht, und die mit dem kulissenartigen Hintergrund eine geheimnisvolle Installation ergeben. Wie mit einer zweiten Haut überzieht sie mit Stoffen ganze Räume, bespannt Wände und Objekte und spart auch sich selbst nicht aus. Zuweilen wird auch das Publikum zum Teil einer Installation und wird, festgehalten durch Fotografien, in die Ausstellung integriert. Neben weiteren Arbeiten darf man auf eine solche interaktive Installation auch in Wuppertal gespannt sein.
 
Anne-Kathrin Reif
 
Die 139. Ausstellung „Kontinuum“ in der Stadtsparkasse Wuppertal, Islandufer 15, läuft bis 6. Dezember 2019. Am Eröffnungstag wurde dem Publikum die Chronik „Kunst in Wuppertal: Welch ein Reichtum“ vorgestellt:
 
„Kunst in Wuppertal: Welch ein Reichtum!“ (hrsg. von Peter Klassen)
Mit Beiträgen von Anne-Kathrin Reif, Georg Westerholz, Antje Birthälmer, Jutta Höfel u.a.m.
© 2019 Sparkasse Wuppertal, 172 Seiten, gebunden, 30 x 21,5 cm, mit zahllosen farbigen und s/w-Abbildungen – ohne ISBN, nicht im Buchhandel, nur in der Sparkasse erhältlich
 
 
Redaktion: Frank Becker