Was die Botschaft angeht, liegt Disney goldrichtig

„Maleficent – Mächte der Finsternis“ von Joachim Rønning

von Renate Wagner

Maleficent – Mächte der Finsternis
(Maleficent: Mistress of Evil - USA  2019)

Regie: Joachim Rønning
Mit: Angelina Jolie, Michelle Pfeiffer, Elle Fanning, Sam Riley, Harris Dickinson u.a.
 
Vor fünf Jahren hat der Disney-Konzern eine in vielen Details „neue“ Version der alten Dornröschen-Geschichte herausgebracht. „Maleficent – Die dunkle Fee“ stellte jene Dame in den Mittelpunkt, die sonst nur eine Nebenrolle (gewissermaßen im „Vorspiel“) inne hat: Sie ist es, die Baby Dornröschen zu ihrem langen Schlaf verdonnert. Warum? Aus Rache. Aber das war nur der Ansatz, von dem aus man die Geschichte anders erzählte und gewichtete.
Der erste Film malte aus, wie aus einem von den Menschen und Männern enttäuschten Geschöpf eine böse Fee mit riesigen schwarzen Erzengel-Flügeln wird: Damals schon verkörperte Angelina Jolie die Rolle, und sie tat es mit derselben Unbeweglichkeit, die sie nun auch in der Reprise zeigt.
Anders geht es zu, weil Prinzessin Aurora gerettet wurde (beschützt u.a. von drei unsäglich albernen Feen, die auch im zweiten Teil wieder auftauchen), nun ihr Königreich regiert und in Maleficent ihre Mutter, ihre gute Mutter sieht. Mit dem originalen Märchen hatte das Ganze nichts mehr zu tun, und die nun nach fünf Jahren nachgeschobene Fortsetzung auch nicht.
Da mußte man sich allerdings etwas einfallen lassen. Kurz, das Prinzeßchen, das ihr Waldkönigtum hegt und pflegt (Umweltschutz ist unser Thema), will heiraten, nicht gerade zur Freude ihrer Ersatzmutter, aber dieser Prinz Philipp aus dem Nachbarland ist ein zu netter Kerl. Immerhin kann man nicht geradewegs zum Happyend eilen, man muß schließlich gut eineinhalb Kinostunden füllen – und darum hat man der „schwarzen Fee“ eine „weiße Königin“ gegenüber gestellt. Aber, daß man sich nicht irrt – diese Queen Ingrith ist nämlich die wahre Böse.
 
Michelle Pfeiffer spielt sie (sie sieht noch immer erstaunlich gut aus) und steckt ihre Konkurrentin und alle anderen als Persönlichkeit in die Tasche. Wobei sie ohnedies nur das Märchenklischee der Intrigantin abziehen darf – sie lächelt, und als Zuschauer weiß man genau, daß man ihr nicht trauen kann…
Diese Königin ist die Mutter des Bräutigams, sie haßt das Volk von Prinzessin Aurora und tut alles, um diese Hochzeit zu verhindert. Dafür brächte sie doch glatt den eigenen Gatten um (wenn es ihr denn gelänge). Immerhin macht sie Sohn und Schwiegertochter in spe das Leben einige Zeit zur Hölle (was zu allerlei dramatischem Wirbel auf der Leinwand führt) – und Maleficent? Also, viel unternimmt die nicht. Angelina Jolie hat bei der Lektüre des Drehbuchs nicht aufgepaßt, sonst hätte sie sich die Führungsrolle in diesem Film nicht so total abnehmen lassen.
Der neue Regisseur, der Norweger Joachim Rønning, hat schon ein Portofolio, das sich sehen lassen kann. Bisher hat er am meisten mit seinem „Kon Tiki“-Film beeindruckt, durfte aber mit dem fünften Teil der „Piraten der Karibik“ auch ein Hollywood-Abenteuer-Spektakel realisieren, dessen Mittel mit dieser Märchen-Fantasy-Show zu vergleichen sind. Technisch perfekt fliegen Drachen aus dem Computer, vielmehr über die Leinwand, ebenso überzeugend flattern und schnattern die dummen kleinen Mini-Feen (Imelda Staunton als Knotgrass, Juno Temple als Thistlewit und Lesley Manville als Flittle) herum, die Natur ist schön, das Schloß prächtig, die Ingredienzien stimmen.
Und schließlich sorgt auch wieder, wie im ersten Film, Sam Riley als Rabe, der auch in Menschengestalt viel zu vermelden hat, für Humor. Und am Ende flirtet die an sich so unzugängliche Maleficent doch glatt mit Borra, diesem ganz auf Krieg eingestellten geflügelten Bösewicht (Ed Skrein), den sie bezaubern kann, ihr zu helfen.
 
Ideologisch wichtig ist, daß die beiden jungen Menschen bezaubernd sind, nicht nur optisch. Elle Fanning als Prinzessin und Harris Dickinson als Prinz verkörpern alles, was an der Jugend gut und positiv zukunftszugewandt ist, sie strahlen geradezu. Die beiden wollen ihre so verschiedenen Reiche (hier magische Geschöpfe, dort Menschen) friedlich vereinigen, und zeigen, daß sich eine wunderbare Jugend von den bösen Alten nicht verbiegen und verderben läßt. Wenn ihnen am Ende glücklicherweise die Versöhnung ihrer gegensätzlichen Völker gelingt (man will nicht verraten, welche Strafe die böse Queen Ingrith trifft, aber man hat herzlich darüber gelacht), möchte man am liebsten Israeli und Palästinenser gemeinsam ins Kino schicken und ihnen zeigen: Schaut her, es geht doch! Auch Gegensätze können sich finden und lieb miteinander sein. Zumindest im Kino… Aber wenn es bei einem solchen Film auch darum geht, daß ein jugendliches Publikum hier die richtigen Botschaften mitbekommt, dann liegt Disney goldrichtig.
 
Vorschau   
 
Renate Wagner