Vom Konkreten bis zur Abstraktion

Matisse - Metamorphosen

von Sabine Kaufmann

Vom Konkreten bis zur Abstraktion
 
Henri Matisse als Bildhauer
 
Das Kunsthaus Zürich zeigt noch bis 8. Dezember eine überaus anregende Ausstellung zum bildhauerischen Aspekt im Werk als revolutionärer Maler und Erfinder der Papiers découpés berühmt gewordenen Henri Matisse (1869–1954). Ein im wahrsten Wortsinn bild-schöner Katalog zu Ausstellung liegt vor und soll hier vorgestellt werden.
 
Der aufs Wesentliche zurückgeführte, federleichte Strich, in Tusche oder Kohle ausgeführt, die heitere farbige Flächigkeit seiner Gemälde die so charakteristisch für Henri Matisse ist, prägt das allgemeine Bild vom Stil des Franzosen. Daß seine plastischen Arbeiten für viele Kunstfreunde bis heute im Schatten seines malerischen Werks stehen, muß verwundern, sieht man die eindrucksvollen, unerhört starken Bronzen, Reliefs, Büsten, Gipse und Ton-Entwürfe des Malers, die im unmittelbaren Vergleich mit Arbeiten seiner Zeitgenossen, u.a. Auguste Rodin, Antoine Bourdelle, Pablo Picasso, Aristide Maillol und Auguste Renoir sowie im Gegenüber mit plastischen Arbeiten Afrikas und der Antike gezeigt werden. Als eine weitere wichtige Inspirationsquelle für die bildende Kunst macht die Ausstellung die aufkommende Fotografie aus, die ebenso wie Malerei und Bildhauerei den Akt, vornehmlich den weiblichen, favorisiert. Beispiele von der „Pinwand“ Matisses geben einen Eindruck vom Stand der Kunst seiner Zeit.
In thematischen Aufsätzen führen u.a. Ellen McBreen (Afrika und Eros in Matisse´ plastischem Werk), Bärbel Küster (Zeitliche Dimensionen im Werk von Matisse) und Claudine Grammont (Die Rückenakte von Henri Matisse) in die Ausstellung ein.
 
Sie kennen gewiß Henry Moores „Sitzende“, die in Tony Craggs Wuppertaler Skulpturenpark „Waldfrieden“ eine Heimat gefunden hat. Wen würde es überraschen, herauszufinden, daß Moore (1898-1986) ein Kenner von Matisses Werk war, ihn schätzte, ihn vermutlich sogar kannte. Man erkennt anhand des höchst informativen, zugleich sehr unterhaltsamen Katalogs manchen Einfluß Matisses auf die Plastik des 20. Jahrhundert und vice versa. Vom Konkreten (Großer sitzender Akt, 1927) bis zur Abstraktion (Pferdekopf, 1914 - Tiere, 1930) reicht die Spannweite des Künstlers. „Die vier Bronzereliefs Rückenakt I–IV sind nicht nur sein plastisches Hauptwerk, sondern auch einen Meilenstein in der Skulptur der Moderne dar. Ausgehend von einer naturalistisch anmutenden Gestaltung abstrahierte Matisse seine Figuren immer stärker bis hin zu einer radikalen Stilisierung“ heißt es im Verlagstext.
Der Katalog gibt zu dem bisher vielleicht größten Überblick über Henri Matisses plastisches Werk einen beispielhaften Querschnitt über seine graphisches Schaffen und seine Malerei. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Matisse - Metamorphosen
Matisse als begnadeter Plastiker: Verwandlungen und Parallelen zu seinem malerischen und zeichnerischen Werk
Herausgegeben vom Kunsthaus Zürich. Mit Beiträgen von Sandra Gianfreda, Claudine Grammont, Gaku Kondo, Bärbel Küster, Ellen McBreen und Christian M. Schweizer
In Zusammenarbeit mit dem Musée Matisse, Nizza
 
© 2019 Scheidegger & Spiess, 232 Seiten, Klappenbroschur mit Fadenheftung, 22 x 27 cm, 169 farbige und 37 s/w-Abbildungen  -  ISBN 978-3-85881-650-4
48,- €