28 Millionen Jahre alte Knochen einer Seekuh

Fossilien als Zufallsfund in Ratingen entdeckt

von Andreas Rehnolt

28 Millionen Jahre alte Seekuh-Rippe - Foto © Geologischer Dienst NRW

28 Millionen Jahre alte fossile Knochen einer Seekuh
als Zufallsfund in Ratingen entdeckt
 
Das Tier schwamm damals in flachem, warmem Meer.
Rippen und Wirbel der Seekuh wurden präpariert
 
Wo heute die Stadt Ratingen liegt, hat sich vor 28 Millionen Jahren die Küste eines warmen, flachen Meeres (Ur-Nordsee) mit einem artenreichen Ökosystem befunden. Dort haben im subtropischen Klima sogar Seekühe gelebt, die auf den Seegraswiesen weideten. Fossile Knochen einer solchen Seekuh waren als Zufallsfund  Anfang des Jahres in einer Baugrube in Ratingen entdeckt worden, so Daniel Schrijver, einer der Entdecker, der den Fund jetzt vor Journalisten in Krefeld präsentierte.
Für Schrijver und seinen Geologen-Kollegen Stephan Becker war es „ein echter Bombenfund und ein herausragender Moment.“ Insgesamt drei Tonnen Sediment von der Fundstelle hatten die Forscher gewaschen und gesiebt, bevor sicher war, daß es sich um Seekuh-Knochen handelte. Das Amt für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland barg die Knochen in wenigen Tagen. Danach wurde der fossilreiche Fundhorizont untersucht. Vermutlich handelte es sich bei dem - geschätzt - 2,5 bis 3 Meter langen Tier um eine Gabelschwanz-Seekuh, erklärte der Spezialist für fossile Meeressäuger am Naturkundemuseum Berlin, Oliver Hampe.


Diue Fundstelle der Fossilien - Foto © Geologischer Dienst NRW

Leider zählt die Ratinger Seekuh laut Hampe zu den weniger gut erhaltenen Zeugnissen dieser Fossilgruppe im Rheinland. Gefunden habe man nur Rippenknochen und Wirbelfragmente sowie kleinere Knochenstücke, aber nichts vom Kopf des Tieres. Möglicherweise würden ja im Verlauf weiterer Baumaßnahmen in dem Fundgebiet noch Teile der Seekuh gefunden, so Hampe weiter. „Schon einige Zähne oder ein Teil des Kopfhinterteils wären wichtig, um präzisere Aussagen über das Tier und ein genauere Bestimmung machen zu können.“ Beim Körperbau habe sich nicht viel getan, Seekühe waren damals schon Planktonfresser gewesen.
Daß die Forscher zunächst keine weiteren Knochen des Tieres gefunden haben, erklärte der Leiter des Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Erich Claßen am Mittwoch damit, daß der Kadaver der Seekuh auf den Grund des Meeres gesunken sei und dort von aasfressenden Haien zerstückelt worden ist. Aus dem Sand und Ton des sichergestellten Sediments der Funde wurden Muscheln, Schnecken, Seepocken und Korallen sowie Haizähne und Gehörsteine von Knochenfischen gefunden, „mit denen sich der marine Lebensraum der Ratinger Seekuh rekonstruieren läßt, erklärte der Paläontologe Christoph Hartkopf-Fröder.
Laut Hampe gibt es aktuell noch vier Seekuh-Arten auf der Erde, die alle in flachen, tropischen Gewässern leben. Neben den Florida-Seekühen gibt es die akut sehr stark in ihrer Existenz bedrohte westafrikanische Seekuh und eine im Süßwasser des Amazonas lebende Art. Die größte Population mit rund 85.000 Tieren ist die Dudong-Seekuh, die in Südostasien lebt. Im Zuge des Autobahnbaus der 30er und 40er Jahre waren fossile Knochen einer Seekuh auch bei Duisburg gefunden worden. Auch bei Krefeld und Mainz hat es Funde gegeben.


28 Millionen Jahre alte Begleit-Fauna in 200 Variationen - Foto © Geologischer Dienst NRW

Die Ratinger Seekuh war vor 28 Millionen Jahren „voll auf das Wasserleben ausgerichtet.“ Seekühe konnten damals wie heute lange tauchen und unter Wasser fressen. Dafür brauchten sie schon damals verdickte Rippen und ebenfalls eine verdickte Knochenhaut.
 
Weitere Informationen: www.gd.nrw.de