Erster Eindruck

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Erster Eindruck
 
Der erste Eindruck kann so wichtig sein. Wenn sich ein Mann und eine Frau treffen und der erste Eindruck fällt positiv aus, dann kann man gleich heiraten. In der Regel wird es nicht schöner. Dann kann man nach 30 Ehejahren sagen: „Wir haben es nicht immer leicht gehabt, aber den ersten Eindruck kann uns niemand nehmen.“ Was wir uns dann auch für eine Mühe geben, den gottgewollten Eindruck von uns zu verbessern. Was greifen wir ein in die Schöpfung und passen sie unseren Vorstellungen an. Ich habe mal eine Beziehung gehabt, da war der erste Eindruck gar nicht so gut, und trotzdem waren wir 3 Jahre zusammen. Das geht auch, aber es war halt nicht so schön. Aber wenn man auf Ärger steht, dann kann das sehr reizvoll sein. Ich habe mich mal mit einer Frau verabredet, die hatte sich am Telefon selbst so runter gemacht, daß das eigentliche Treffen überraschend positiv ausfiel. Ich dachte, das ist die Streuselkuchenmethode. Der Streuselkuchen kommt doch so unbekümmert daher, als könnte er kein Wässerchen trüben, als würde er noch bei den Eltern wohnen, als würde er eigentlich nur schmecken, wenn jemand gestorben ist, als wäre er eine Mondlandschaft ohne Gott, aber wenn man ihn ißt, dann fühlt man sich gleich wie im Paradies.
Einmal habe ich meine Freundin Lydia getroffen, die mir gesagt hat: „Ich muß meinen Wagen noch durch die Waschstraße schicken, weil ich neue Winterreifen bekomme.“ Und ich dachte, wie rührend ist das denn, da sorgt sich jemand um den ersten Eindruck seines Audis, damit die sensiblen Jungs in der Autowerkstatt gleich wissen, hier kommen wir nur mit Liebe weiter. Das ist doch genauso, als wenn man seine zerrissenen Unterhosen wegschmeißen will und wäscht sie vorher nochmal. Das ist doch genauso, als wenn man vor seiner Operation noch mal zum Friseur geht, um im OP einen guten Eindruck zu hinterlassen, damit der Arzt sagen kann: „Der gesundheitliche Zustand ist bedenklich, aber der Friseur ist klasse.“ Ich sage sowieso immer, besuchen sie ihren Arzt auch mal, wenn sie gesund sind. Damit er einen Eindruck hat, in welchem Zustand sie wieder hergestellt werden sollen. Der kennt sie ja so gar nicht. Der denkt doch, sie wären immer krank und könnten nur über ihre Krankheiten reden. Und wenn sie sich dann gut verstehen, wenn also ein Funke übergesprungen ist, dann kann man dort auch eine Darmspiegelung machen lassen. Sie bei ihm, er bei Ihnen, statt grillen. Man kann in seiner Freizeit ja auch mal was sinnvolles machen.
Aber mal im Ernst: Warum hat ein Polizist wohl einen Schäferhund an seiner Seite? Der Schäferhund repräsentiert die Staatsmacht. Wenn man also den Polizisten mit seinem Schäferhund sieht, weiß man auf einmal, auf einem von beiden ist Verlaß. Stellen sie sich vor, der Polizist wäre mit einem Mops unterwegs. Was macht denn das für einen Eindruck? Das kann man zu Karneval in Delbrück machen, wenn man menscheln will. Stellen sie sich den Mops als Drogenhund vor. Der sieht doch vorher schon so aus, als hätte er sie gefunden.... und nicht nur gefunden. Kürzlich wurde mir der Führerschein abgenommen. Ich hatte über die Stränge geschlagen und mußte nun ein neues Führerscheinfoto von mir machen lassen. Diesmal dachte ich, ich lerne dazu und hinterlasse gleich einen ersten guten Eindruck. Vor dem anstehenden Fototermin habe ich mich dann dermaßen betrunken, daß ich kaum gerade sitzen konnte. Wenn ich nun angehalten werde, dann sagen alle, der sieht ja aus wie immer. Verstehen sie, wenn man auf dem Führerscheinfoto wie betrunken aussieht, dann müssen die einen ziehen lassen. Die erkennen doch keinen Unterschied.
Noch `n Tip: Laden sie im Internet auf Kontaktbörsen keine vorteilhaften Fotos von sich hoch, wenn sie eine Computermaus suchen. Nehmen sie kein schmeichelhaftes Engelfoto, das sie bei der Hausarbeit zeigt. Das könnte später gegen sie verwendet werden. Suchen sie einfach Fotos von sich aus, wo sie aussehen wie Charles Bukowski mit Kippe im Maul und schmuddeligen Feinrippunterhemd am Frühstückstisch. Wo sie aussehen wie Til Schweiger nach einer Tatort-Doppelfolge. Wenn dann eine Frau sie trotzdem nimmt, dann haben sie ein schönes Leben. Manchmal denke ich daran, wie wir alle auf die Welt gekommen sind. Können sie sich daran noch erinnern? Vielleicht die Jüngeren? Was wir für einen ersten Eindruck auf die Welt gemacht haben. Wie wir geschrien und getrampelt und gesabbert und geweint haben? Und trotzdem wurde sich um uns gekümmert. Und wissen sie warum? Weil wir Verwandtschaft sind. Und das macht mir Mut. Weil wir doch alle irgendwie miteinander verwandt sind, oder? In Paderborn auf jeden Fall. In Paderborn sind alle irgendwie miteinander verwandt. Also mich beruhigt das ungemein.
 
 
© Erwin Grosche